Antifa-Kongress in München abgesagt: DGB gibt rechten Bloggern nach
Schon einmal fand im DGB-Haus der Antifa-Kongress statt. Nun hat der DGB ihn abgesagt – nachdem rechte Blogger Druck machten.
Berlin taz | Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat eine Antifa-Veranstaltung in seinem Haus in München auf Betreiben seines Mitglieds, der Gewerkschaft der Polizei (GdP), abgesagt. Das teilte die GdP Nordrhein-Westfalen am Mittwoch auf Twitter unter dem Hashtag #wirmischenunsein mit. „Menschen, die etwas gegen rechts unternehmen, sind uns nicht unsympathisch“, sagt der Sprecher der GdP NRW Stephan Hegger der taz. „Bei der Antifa fehlt uns aber die Abgrenzung zu Gewalt.“
Vom 3. bis zum 5. November sollte im DGB-Haus in München der Antifa-Kongress Bayern 2017 stattfinden. Themen des Kongresses sind unter anderem „AfD und Antifeminismus“, „Rechter Terror“ und „NSU“. „Der Kongress findet schon seit vielen Jahren statt und verbindet ein breites Spektrum von Menschen“, sagt Matthias Müller* vom Vorbereitungsteam des Kongresses zur taz.
Gewerkschafter*innen hätten in der Vergangenheit an der Veranstaltung teilgenommen und seien auch diesmal zu Vorträgen eingeladen gewesen. Vor drei Jahren fand der Kongress schon einmal im Münchner DGB-Haus statt. Die Absage sei in den Augen der Veranstalter*innen deshalb vollkommen unverständlich.
Am Montag hatte die rechte Webseite „Journalistenwatch“ die Veranstaltungsankündigung veröffentlicht und die Themen des Kongresses als „brisant“ bezeichnet. Einer der Blogger*innen hatte sich beim DGB nach Details erkundigt. Auf Anfrage der taz erklärt der DGB schriftlich, er habe erst durch die Anfrage von „Journalistenwatch“ vom geplanten Kongress im eigenen Haus erfahren.
Für die Gewerkschaftsrivalität genutzt?
Die Meldung über den DGB als Hausherren eines Antifa-Kongress sei von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), die im Beamtenbund organisiert ist, dann bundesweit genutzt worden, „um die Gewerkschaft der Polizei massiv anzugreifen und Mitglieder abzuwerben“. Um die eigene Mitgliedsgewerkschaft zu schützen, habe der DGB die Veranstalter*innen des Kongresses deshalb „darum gebeten, nach alternativen Veranstaltungsräumen zu suchen“.
Tatsächlich teilt die DPolG am Mittwoch auf Facebook mit, sie sei froh, dass die Veranstaltung nicht stattfindet. Der Bundesvorsitzende der GdP, Oliver Malchow, sagt zur taz: „Das Problem ist, wer das veranstaltet.“ Die Inhalte des Kongresses seien möglicherweise gar kein Problem, doch „der Begriff Antifa macht deutlich, dass sie sich gegen die Polizei, möglicherweise auch gewaltsam, richten. Von diesen Veranstalter*innen würde man auch keine Lesung zu Heinrich Heine dulden.
Das Ganze sei ein „Skandal“, meint Müller vom Vorbereitungsteam des Kongresses. Schon seit einiger Zeit versuche „Journalistenwatch“, antifaschistische Strukturen in München zu „entlarven.“ Dieses Mal sei die rechte Webseite erfolgreich gewesen. „Das macht deutlich, wie sehr Rechte inzwischen Einfluss nehmen“, meint Müller.
Zahlreiche Gewerkschafter*innen hätten ihnen allerdings bereits signalisiert, dass sie mit der Entscheidung des Dachverbands nicht einverstanden seien. „Wir wollen keine Rachekampagne gegen den DGB fahren“, so Müller. „Im Gegenteil, wir würden uns freuen, wenn er seine Position überdenkt.“ Der Antifa-Kongress Bayern 2017 werde auf jeden Fall stattfinden.
*Name von der Redaktion geändert
Leser*innenkommentare
80975 (Profil gelöscht)
Gast
Die strammen Rechten und ihre Freikorps haben schon immer gerne, für ihre Wilhelms und Adolfs, auf Arbeiter und Gewerkschaftler geschossen. Mit der Solidarität haben die es nicht so.
1933 haben die Gewerkschaften ihren Tag der Arbeit gefeiert und geglaubt, es würde sie nicht treffen. Am Tag darauf setzte die Zerschlagung ihrer Strukturen und die Deportation ihrer Mitglieder ein. Nicht wenige Gewerkschaftler, die nach dem 2. Weltkrieg den Gewerkschaftsbund wieder aufgebaut haben, kamen direkt aus den Konzentrationslagern oder dem Exil.
Das sich die Gewerkschaftsspitze und die Kollegen der GdP nicht hinter das Bündnis stellen, ist m. E. ein Armutszeugnis. Sie wissen genau, dass es sich hier um keine geschlossene militante Organisation handelt. Vielmehr wollten sich hier meist junge Menschen, aus einem breiten politischen Spektrum treffen, um sich gegen das Wiedererstarken Neofaschistischer Strukturen zu positionieren. Das der Dachverband hier einknickt und sich damit indirekt an der Stigmatisierung und Kriminalisierung von derartigen Engagement beteiligt, zeigt, dass man sich mittlerweile wirklich Sorgen machen muss.
Sie möchten auch jetzt wieder fest dran glauben, dass es sie nicht treffen wird. Ob ihnen das in Zukunft zu gute kommt, mag ich bezweifeln.
http://www.taz.de/!5167840/
http://www.mittelbayerische.de/region/regensburg-stadt-nachrichten/verdi-verurteilt-nazi-angriff-21179-art810936.html
https://www.derwesten.de/staedte/dortmund/nazi-prozess-nach-angriff-auf-dortmunder-mai-demo-des-dgb-erst-2012-id4929761.html
http://www.wochenblatt.de/nachrichten/regensburg/regionales/Gewerkschaft-verurteilt-Nazi-Angriff;art1172,126778,PRINT?_FRAME=33
Rossignol
(...) sagt der Sprecher der GdP NRW Stephan Hegger der taz. „Bei der Antifa fehlt uns aber die Abgrenzung zu Gewalt.“ (...)
Bei der Polizei fehlt MIR die Abgrenzung zu Gewalt!
(siehe z.B. G20)
Victa
Was bitte ist denn eigentlich "Die Antifa"? Müsste es nicht grammatisch korrekt "eine Antifa" heißen? Ich dachte immer Antifa steht für "Antifaschistische Aktion", und nicht für eine bestimmte Gruppe oder einen (eingetragenen) Verein mit registrierten Mitgliedern.
yohak yohak
Die entscheidende Frage ist: Was ist mit "Antifa" gemeint? Sich friedlich, mit demokratischen, legalen Mitteln für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus zu engagieren? Oder sind damit Linksextremisten gemeint, die alle Andersdenkende pauschal zu Nazis erklären, und im Kampf gegen diese angeblichen "Nazis" alles, inklusive Gewalt, für zulässig halten?
Arne Babenhauserheide
@yohak yohak Das hängt leider mehr von denen ab, die den Ausdruck verwenden, als von denen, die damit bezeichnet werden.
Existencielle
In der Tat scheint momentan eine Art Kampagne 'von Rechts' zu laufen, mit dem Ziel, die letztere Interpretation als die gängige zu etablieren.
Damit scheinen sie auch gewissen Erfolg zu haben -- der hier berichtete Vorfall ist ein gutes Beispiel dafür, dass diese Umdeutung bereits Früchte trägt.
Dr. McSchreck
Ich kann verstehen, dass Polizisten nicht mit ihren Beiträgen eine Veranstaltung von Leuten mit finanzieren wollen, von denen sie bei nächster Gelegenheit wieder Steine an den behelmten Kopf kriegen.
Wurstprofessor
@Dr. McSchreck Es scheint ja eher so zu sein, daß die GdP ("roter" DGB) der DPolG ("schwarzer" Beamtenbund und Wendt-Verein) keine Munition liefern will, mit der letztere Aufmerksamkeit und Mitglieder binden könnte.
Ein Schelm
@Dr. McSchreck Diese Logik greift zu kurz. So funktioniert nämlich Solidarität, DIE Grundvoraussetzung für die Funktion einer Gewerkschaft überhaupt, nicht.
Dr. McSchreck
@Ein Schelm Verstehe ich nicht: sollten nicht alle Gewerkschaften im DGB solidarisch sein mit den Polizisten, die sich von Rechtsbrechern mit Steinen bewerfen lassen müssen. Gegen friedlichen Protest habe ich gar nichts, schon gar nicht gegen Nazis. Aber wenn Polizisten das Demonstrationsrecht schützen müssen, geht es schlicht nicht an, dass sie dafür angegriffen werden. Dafür sollte kein Gewerkschaftler einen Cent übrig haben - mehr wird es wohl nicht sein, dass für die Finanzierung dieses Hauses für diese Veranstaltung aufgewendet würde. Wichtiger ist tatsächlich die Frage der Solidarität: gilt diese dem Rechtsstaat und seinen Vertretern - oder Leuten, die sich über das Recht hinwegsetzen?
Ein Schelm
Nach derselben Logik müsste man aber die GdP aus dem DGB rauswerfen, da sich in den Reihen der Polizei nachweislich Neofaschisten befinden und Nazitum mit Gewerkschaftstätigkeit unvereinbar ist. Macht man aber natürlich nicht. Denn erstens schert man nicht alle über einen Kamm, zweitens untergräbt man damit die innergewerkschaftliche Solidarität.
Zu Ihrem Kommentar: alle angeführten Punkte sind für den vorliegenden Fall irrelevant. Solange nicht nachgewiesen werden kann, dass die Veranstalter des Kongresses als Individuen Verbrecher sind, kann man sie nicht in Sippenhaft nehmen nur weil sie sich unter dem Label "Antifa" bewegen. Ansonsten gilt wieder die oben dargestellte Logik und dass die Quatsch ist sollte sich von selbst verstehen. Denn wenn wir schon von Solidarität gegenüber dem Rechtsstaat reden: wo ist dann das klare Bekenntnis zur Unschuldsvermutung?