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AntidiskriminierungsberatungBedrohte Beratung

Der Antidiskriminierungsberatung von Opferperspektive in Potsdam droht das Aus. Der Verein fordert nun die notwendigen Mittel von der Landesregierung.

Beratungsorganisationen beobachten eine neue rechte Jugendkultur Foto: Sebastian Willnow/dpa

Berlin. taz | Der Verein Opferperspektive aus Potsdam hat angesichts mangelnder finanzieller Mittel einen Appell veröffentlicht. Darin heißt es, essenziellen Beratungsangeboten drohe das Aus, sofern nicht zusätzliche finanzielle Mittel aus dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellt werden. Der Verein ist davon selbst betroffen.

Ende März hatte die Brandenburger Landesregierung aus SPD und BSW den Entwurf des Doppelhaushaltes 2025/2026 beschlossen. Doch mit 16,7 Milliarden in diesem und 17,4 Milliarden im nächsten Jahr ist das nur etwa so hoch wie im Vorjahr – trotz steigender Löhne und Inflation. Eine finale Abstimmung über den Haushalt wird für Ende Juni erwartet.

Akut bedroht sei insbesondere die Antidiskriminierungsberatung (ADB) des Vereins. Hier fehle es an rund 260.000 Euro, um das Angebot zu erhalten, weil die vom Bund getragene Förderung im Januar 2026 auslaufe. Für ihre Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt seien angesichts steigender Löhne und Inflation rund 30.000 Euro zusätzlich notwendig, allein um den aktuellen Personalschlüssel zu halten, erklärt der Projektreferent des Vereins, Marcus Reinert, der taz.

Doch der Beratungsbedarf stei­ge, sagt Reinert. So sei unter anderem ein massiver Anstieg von Angriffen gegen Menschen zu verzeichnen, die sich in der Demokratiearbeit engagieren. Im Jahr 2024 erfasste Opferperspektive 66 solcher Angriffe auf politische Geg­ne­r:in­nen allein in Brandenburg. Das seien etwa Angriffe auf Kommunalabgeordnete, Wahlkampfhelfende und Menschen, die sich in Vereinen gegen rechts engagieren.

Rechtsextreme Gewalttaten auf Rekordniveau

„Um den steigenden Bedarf abzudecken, bräuchten wir zwei neue Stellen und damit etwa 200.000 Euro mehr“, sagt Reinert. Ohne zusätzliche Mittel sei die landesweite Erreichbarkeit und die Qualität der Hilfsangebote nicht mehr gewährleistet. Und tatsächlich sind Antidiskriminierungsarbeit und Beratungsangebote für Betroffene rechter Gewalt aktuell nötiger denn je, denn die Zahlen rechter Gewalttaten erreichen immer wieder neue Rekordwerte. So stieg die Zahl rechtsextremer Straftaten bundesweit auf 41.406 Delikte. Mit 1.443 Gewalttaten erreichten auch diese einen traurigen Höchststand.

Auch in Berlin und Brandenburg verzeichnen die Zahlen rechtsextremer Gewalttaten im vergangenen Jahr einen neuen traurigen Höchststand. In Brandenburg erfasste Opferperspektive 273 rechte, rassistische und antisemitische Gewalttaten. Rassismus ist dabei das häufigste Tatmotiv. Zudem verfestige sich in Brandenburg eine neue, subkulturell geprägte rechte Jugendkultur mit hohem Gewaltpotenzial.

Die Geschäftsführerin des Vereins Opferperspektive, Judith Porath, zeigt sich besorgt: „Unsere Beratungsstellen sind für viele Betroffene die einzige Anlaufstelle“. Doch die aktuelle Finanzierungslage stelle den Verein vor ernsthafte Probleme. Die politischen Ent­schei­dungs­trä­ge­r:in­nen stünden jetzt vor „einer Weichenstellung“, sagt sie. „Der Landeshaushalt 2026 wird zeigen, welchen Stellenwert der Schutz von Minderheiten und der soziale Frieden in Brandenburg tatsächlich haben“, so die Geschäftsführerin des Vereins.

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