piwik no script img

Antidiskriminierungsbeauftragter gehtSchon wieder weg

Dervis Hizarci, Antidiskriminierungsbeauftragte für Schulen, geht nach nur einem Jahr – offenbar weil er nur wenig erreichen konnte.

Lange her: Hizarci (m.) mit der früheren Integrationssenatorin und Aycan Demirel, Gründer von Kiga Foto: dpa

Berlin taz | Schon wieder muss sich Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) eine neue Antidiskriminierungsbeauftragte für Schulen suchen. Amtsinhaber Dervis Hizarci geht nach nur einem Jahr ab 1. September als Programmdirektor zur Alfred Landecker Stiftung. Inhaltlich-politische Differenzen hätten bei dem Weggang keine Rolle gespielt, sagte der Sprecher von Scheeres, Martin Klesmann, am Dienstag der taz. Hizarci ließ dagegen durchblicken, dass er aus ähnlichen Gründen gehe wie seine Vorgängerin. „Wenn ich nicht wirken kann, bleibe ich nicht.“

Der 37-jährige Lehrer für Politik und Geschichte und frühere Vorstand der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (Kiga) hatte den Job im August 2019 von Saraya Gomis übernommen. Sie hatte die bundesweit erste Stelle dieser Art seit 2016 aufgebaut, den Job aber laut eigenem Bekunden aufgegeben, weil sie wenig Rückendeckung und Ressourcen von Scheeres' Verwaltung bekam.

Experten aus dem Antidiskriminierungsbereich fordern länger, der oder die Beauftragte sollte behördenunabhängig sein und umfassende Befugnisse wie Akteneinsicht bekommen. Gomis hatte Zahlen veröffentlicht aus denen hervorgeht, dass die meisten Diskriminierungsfälle an Schulen von LehrerInnen und ErzieherInnen ausgehen. Zugleich fehlt es offenbar an Schulen teilweise an Bereitschaft aktiv zu werden. Der Migrationsrat erneuerte am Dienstag seine Forderung, die Stelle besser auszustatten. „Es ist doch auffällig, dass die Leute so schnell gehen“, sagte Edwin Greve vom Migrationsrat der taz.

Hizarci hatte kürzlich in einer anderen Sache gegen Scheeres Stellung bezogen. Nach dem jüngsten Gerichtsurteil gegen das Neutralitätsgesetz kritisierte er es im Tagesspiegel als faktische Diskriminierung von Muslima mit Kopftuchverbot. Er habe seinem Gewissen folgen müssen, erklärte Hizarci der taz. Den neuen Job hatte er da schon.

„Bessere Gestaltungsmöglichkeiten“

Bei der Alfred Landecker Stiftung, die sich nach eigener Aussage für Demokratieförderung und gegen Antisemitismus engagiert, soll Hizarci Programmdirektor werden und sich um genau diese Themen sowie um Minderheitenschutz kümmern. Er gehe davon aus, dass er dort „bessere Gestaltungsmöglichkeiten“ habe als in der Verwaltung, so Hizarci.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • "Auf dem Post"?

  • "Experten aus dem Antidiskriminierungsbereich fordern länger, der oder die Beauftragte sollte behördenunabhängig sein und umfassende Befugnisse wie Akteneinsicht bekommen."

    Das ist ebenfalls nicht unproblematisch: Wie steht es um die demokratische Legitimation einer solchen 'behördenunabhängigen' Stelle? Wer kontrolliert die Kontrolleure?

  • Zitat: „Wenn ich nicht wirken kann, bleibe ich nicht.“

    Tja, wer nicht bleiben will, der kann natürlich auch nicht wirken.

    Was hatte dieser Mensch eigentlich geglaubt, wie dick das Brett vorm Kopf gewisser Leute ist?

    Diskriminierung ist als Phänomen schon so alt, so verbreitet und so gewinnträchtig, dass Dünnbrettbohrer einfach keine Chance haben. Wer unbedingt glänzen will, der sollte also vielleicht Lackierer werden, nicht Antidiskriminierungs-Beauftragter. Schon gar nicht in einer Verwaltung. Denn da sind die Hierarchien (wieder) so steil und das Kompetenzgerangel ist so stark, dass persönliche Eitelkeiten nur in Ausnahmefällen dauerhaft befriedigt werden. Und selbst das braucht gefühlt eine Ewigkeit.