Antibiotika in der Tierhaltung: Keime im Kühlregal
Eine Untersuchung findet antibiotikaresistente Erreger im Discounter-Geflügel. Verbände fordern schärfere Vorschriften.
In Laboruntersuchungen von 62 Proben an der Universität Greifswald seien in mehr als einem Viertel der Proben aus Testkäufen bei den Ketten Aldi und Lidl antibiotikaresistente Keime nachgewiesen worden. Darunter auch solche, die gegen sogenannte Reserve-Antibiotika resistent waren, sagte die Agrarexpertin des Verbands, Reinhild Benning.
Reserve-Antibiotika sollen eigentlich bei der Behandlung von Menschen als letztes Hilfsmittel im Kampf gegen Infektionen dienen, die durch multiresistente Bakterien ausgelöst werden. Stattdessen finden sie weiterhin breite Verwendung in der Nutztierhaltung.
Vor diesem Hintergrund forderte der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Montgomery, bei der Vorstellung der Untersuchung schärfe Vorschriften der EU. „Wir brauchen die Beschränkung der Reserve-Antibiotika auf die Heilung bei Menschen.“ Der Einsatz dieser Medikamente diene häufig dazu, Mängel in der Tierhaltung auszugleichen. Über gesetzliche Regelungen zum Antibiotika-Einsatz in der Tiermedizin wird im September das EU-Parlament abstimmen. Grundlage ist die neue Tierarzneimittelverordnung, die 2022 in Kraft treten soll.
Das Problem antibiotikaresistenter Keime ist nicht neu: Auch andere Untersuchungen waren in der Vergangenheit bereits zu ähnlichen oder sogar schlechteren Ergebnissen gekommen. „Wir sind wenig überrascht, aber nach wie vor entrüstet“, sagt Benning über die Ergebnisse der eigenen Untersuchung.
Einem Bericht mehrerer europäischer Gesundheits- und Lebensmittelbehörden zufolge ist der umstrittene Medikamenteneinsatz in der Nutztierhaltung allerdings tendenziell rückläufig. „Der Einsatz von Antibiotika ist bei zur Lebensmittelerzeugung genutzten Tieren erstmals geringer als beim Menschen“, teilte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) Ende Juni mit.
Die Discounter Lidl und Aldi äußerten sich bis Redaktionsschluss nicht zu den Vorwürfen. (mit dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück