piwik no script img

Anti-Seilbahn-Initiative„Es ist ein Konzernbegehren“

Die Befürworter der Seilbahn haben 14.744 gesammelte Unterschriften beim Bezirksamt Mitte eingereicht. Doch eine andere Initiative will das Vorhaben verhindern.

So soll sie aussehen, die "Musicalbahn". Bild: dpa
Lena Kaiser
Interview von Lena Kaiser

taz: Frau Jakob, Sie wollen verhindern, dass die Seilbahn gebaut wird. Warum?

Theresa Jakob: Wir sind eine Initiative von Anwohnern, wir sind in keiner Weise partei- oder verbandsmäßig gebunden, im Gegensatz zu der Pro-Seilbahn-Initiative. Diese Profitinitiative ist ein Konzernbegehren. Das Stichwort ist „Astroturfing“.

Das bedeutet soviel wie eine künstliche Graswurzelbewegung. Was stört Sie an der Idee, eine Seilbahn zu bauen?

Theresa Jakob

55, ist als Anwohnerin aktiv in der Stadtteilversammlung und der Initiative "Keine Seilbahn über unsere(n) Köpfe(n)".

Wir brauchen nicht nur keine Seilbahn, wir brauchen vor allem keine Musicalbahn, also keinen Zubringer für die Stage Holding. Bei dem ganzen Begehren handelt es sich um eines von Berufsbewegten: eine ehemalige Senatorin, ein Tourismusverbandsmanager. Die haben, finanziert von der Stage Holding, mit Profisammlern auf 400-Euro-Basis Unterschriften gesammelt.

Dass da wirtschaftliche Interessen dahinterstecken, kritisiert auch die SPD. Aber verboten ist es ja nicht.

Es geht nicht darum, ob das verboten ist. Das ist einer der wesentlichen Kritikpunkte, die wir uns erlauben. Wir sind alle betroffene Anwohner und nicht berufsbewegt. Dass Stage der Stadt angeblich kostenfrei eine Seilbahn bescheren will und dass ein Tourismusmanager das gut findet, ist genauso legal. Dass drei Menschen sich zusammenfinden und formal korrekt ein Bürgerbegehren starten, geschenkt, aber das Instrument ist hier pervertiert worden. Ich bezweifle, dass sie ohne die finanziellen Mittel von der Stage ihre Unterschriften zusammenbekommen hätten. Wir haben aber auch Kritik an dem Plan der Seilbahn selbst. Denn es sollen dafür geopfert werden: ein historisches Hamburger Gebäude, bis zu 25 Parkbäume, ein historischer Park, bedrohte Fledermausarten, ein Stadtbild und eine Sichtachse, diese grazile Stütze von 80 Metern, ist nämlich gar nicht so grazil.

Wollen Sie ein Gegenbegehren machen?

Nach reiflicher Überlegung haben wir uns seinerzeit dagegen entschieden. Wir hätten eine bestimmte Anzahl von Stimmen erreichen müssen, dann hätte der Bezirk das zu seinem Begehren machen können. Aber auch dann wäre es zu einem Bürgerentscheid gekommen. Aber wir wissen, wie die Politik dazu steht.

Glauben Sie nicht, dass die Seilbahn kommen wird?

Das Schlimmste wäre, zu sagen, sie kommt eh nicht – und nichts zu tun. Die Profit-Seilbahnbefürworter gehen bewusst von falschen Zahlen aus. Die Initiative gibt an, dass Touristen üblicherweise nicht mit dem Auto kommen. Aber es kommen ja bestimmt auch Leute extra wegen der Seilbahn. Außerdem wusste die Stage auch schon, als sie 2011 angefangen hat, zu sagen: Wir schenken euch eine Seilbahn, dass es ein zweites Musicaltheater geben wird und sich somit auch die Belastung für den Stadtteil verdoppelt.

Warum glauben Sie, dass die Zahlen falsch sind?

In den Unterlagen von der Profitinitiative steht ganz klar drin, ein Theater, obwohl damals schon klar war, dass es zwei gibt: „König der Löwen“ und „Das Wunder von Bern“. Wir werfen denen vor, dass sie vorsätzlich mit falschen Zahlen arbeiten. Auch die Umfragen, die sie veröffentlichen, behaupten, dass die Leute aus dem Stadtteil für die Seilbahn wären. Wenn man den Leuten bei der Unterschriftensammlung Freikarten verspricht, klar unterschreiben sie dafür.

Woher wissen Sie das, wurde Ihnen eine angeboten?

Naja, wenn man 14.000 Stimmen sammelt, trifft man auch auf Leute, die die Seilbahn nicht so toll finden.

Welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Wir sind grundsätzlich zuversichtlich, sehr gut aufgestellt und vernetzt, müssen uns aber am Prozess beteiligen. Es geht nämlich um wesentlich mehr als um die Seilbahn. Zwei negative Beispiele: Ikea und das Scheuerl-Prinzip. Schüler könnten schon längst sechs Jahre gemeinsam lernen, wenn nicht so viel Geld in die gegenerische Initiative reingepumpt worden wäre. Das macht die Stage jetzt auch. Außerdem ist die Seilbahn ein weiterer Baustein der Gentrifizierung. Sie dient ausschließlich touristischen Zwecken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Frau Jakob kennt den Begriff "astroturf".

    Dann weiß sie sicher auch, daß z.B. in Kalifornien (oder auch der Schweiz)Unternehmen und Wirtschaftsverbände massiv und mit Millionenbeträgen Einfluß auf die dortigen Volksabstimmungen nehmen. Oder mit bezahlten Unterschriftensammlern solche initiieren. Anlaß darüber nachzudenken, ob "direkte Demokratie" wirklich nur vorteilhaft ist..

  • "Wir" brauchen auch kein Nazi "Wunder von Bern"- Musical.