Anti-Lärm-Programm in Hamburg: Um den Schlaf gebracht

Ein neues Programm fördert Schallschutzmaßnahmen an besonders lauten Straßen. Mehr als 130.000 Menschen in Hamburg leiden unter Verkehrslärm.

Eine Alternative zu Lärmschutzfenstern – aber eine schlechte Foto: Marc Tirl/ dpa

HAMBURG taz | Mit einem Lärmschutzprogramm will der rot-grüne Senat für mehr Stille in Hamburg sorgen. Für passiven Lärmschutz an Wohngebäuden an besonders verkehrsreichen Straßen werden 4,4 Millionen Euro bereitgestellt. Damit kann der Einbau von Schallschutzfenstern bezuschusst werden.

Der Verkehrslärm an vielen Hamburger Straßen „verpflichtet uns zum Handeln“, sagte der grüne Umweltsenator Jens Kerstan am Dienstag bei der Vorstellung des neuen Lärmaktionsplans. Das erste Programm, das 2009 aufgelegte wurde, hatte fünf Millionen Euro umfasst, die binnen drei Jahren vollständig ausgezahlt worden waren.

Über der menschlichen Stressgrenze

Nach Kerstans Angaben leiden in der Hansestadt tagsüber rund 120.000 Menschen an überhöhtem Verkehrslärm von mehr als 65 Dezibel (dB), nachts würden sogar über 130.000 Menschen von mehr als 55 dB um den Schlaf gebracht. Beide Pegel liegen über der menschlichen Stressgrenze und beeinträchtigen die AnwohnerInnen, sagt Kerstan: „Ihre Gesundheit könnte gefährdet sein.“

Dezibel (dB) ist die Maßeinheit für Geräusche. Zehn Dezibel mehr bedeuten eine Verdoppelung des Lärms.

10 dB laut ist ruhiges Atmen eines Menschen

20 dB entsprechen dem Ticken einer Armbanduhr

30 dB erreicht man beim Flüstern

40 dB hat ein laufender Kühlschrank

50 dB hat eine normale Unterhaltung

Bei 60 dB ist die Stressgrenze

75 dB hat Verkehrslärm

Ab 85 dB ist Gehörschutz im Gewerbe vorgeschrieben

90 dB laut sind LKWs

100 dB erreichen Motorräder

110 dB laut ist es in einer Disco

120 dB entstehen durch Kreissäge oder Presslufthammer

130 dB: Düsenflugzeug, Schmerzschwelle

150 dB führen zu irreparablen Hörschäden

Ergänzend lässt der Senat überprüfen, an welchen der lautesten Straßen Hamburgs nachts Tempo 30 eingeführt werden kann. Bislang ist dies nur als Pilotversuch an drei Straßen der Fall: An Teilstücken der Harburger Chaussee in Wilhelmsburg, der Moorstraße in Harburg und der Winsener Straße in Wilstorf gilt von 22 bis 6 Uhr Tempo 30 – kontrolliert indes wird das nicht.

Allein im Bezirk Nord sind nach Senatsangaben aus dem Herbst vorigen Jahres 92 Straßen übermäßig laut. Spitzenreiter ist die Hamburger Straße vor dem Einkaufszentrum Mundsburg mit nachts 69 dB. Aber auch Saarlandstraße und Winterhuder Marktplatz sind betroffen.

Vor allem große Ausfallstraßen

Vor allem große Ausfallstraßen wie Wandsbeker Chausee, Kieler Straße, Holstenstraße und Cuxhavener Chaussee sind viel zu laut. Die Osterstraße, die Einkaufsmeile Eimsbüttels, weist nächtliche Lärmwerte von 70 dB auf. Hier allerdings wird seit Kurzem gehandelt: Die Osterstraße wird zur Zeit verkehrsberuhigt.

Nach dem jetzt vorgestellten Programm übernimmt die Stadt bei Schallschutzeinbauten in Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmern 65 bis 75 Prozent der Kosten. Die Zuschüsse müssen bei der Investitions- und Förderbank (IFB) beantragt werden. Auch eine Kombination mit anderen Modernisierungsmaßnahmen sei möglich, sagte IFB-Vorstand Wolfgang Overkamp.

Für Manfred Braasch, Hamburger Chef des Umweltverbandes BUND, greifen diese Maßnehmen dennoch zu kurz. „Wir brauchen mehr Tempo-30-Zonen“, fordert er, das sei der effektivste und zugleich billigste Lärmschutz. „Der Umweltsenator müsste die Lärmquellen in Hamburg reduzieren“, fordert auch der umweltpolitische Sprecher der Linken, Stephan Jersch. Stattdessen würde der Senat „gerade in den finanziell benachteiligten Quartieren die HamburgerInnen hinter Doppel- und Dreifachverglasung einbunkern“.

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