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Anti-Korruptionsbewegung in RusslandMedwedjew unter der Lupe

Jüngst gingen tausende Demonstranten in Russland auf die Straße. Der Aktivist Alexei Nawalny behauptet, Russlands Premier sei zutiefst korrupt.

Bei einer Demo in Sankt Petersburg halten Teilnehmer Medwedew als Pappfigur hoch Foto: dpa

Berlin taz | Kurz vor den Duma-Wahlen am 18. September 2016 warb der Blogger und Aktivist Alexei Nawalny auf ganz besondere Art für den russischen Regierungschef Dmitri Medwedjew: Der mache zwar für sich und die Regierungspartei Vereintes Russland Wahlkampf – habe aber offensichtlich vergessen, den Russen seine Datscha zu zeigen, so Nawalny süffisant.

Zu sehen bekamen die Zuschauer von Nawalnys Blog mit einer Drohne aufgenommene Fotos eines ansehnlichen Anwesens: ein 80 Hektar großes Areal mit einer Residenz aus dem 18. Jahrhundert samt Gästehäusern, Schwimmbädern sowie einer Skipiste nahe der Stadt ­Pljoss an der Wolga. Nach Recherchen von Nawalnys „Stiftung für Korruptionsbekämpfung“ soll der Umbau der Anlagen, die Medwedjew zwar nicht besitzt, aber nutzt, umgerechnet zwischen 340 und 400 Millionen Euro gekostet haben.

Unlängst waren Nawalnys Drohnen in Sachen Medwedjew wieder im Einsatz. Das Ergebnis, das seit Anfang März als 50-minütiger Videofilm und Materialsammlung im Netz verfügbar ist, kann sich sehen lassen. So soll Medwedjew angeblich der heimliche Besitzer eines ganzen Imperiums von Luxusliegenschaften, Weinbergen und Jachten im In- und Ausland im Wert von mindestens 1,1 Milliarden Euro sein.

Dabei soll er sich auf ein ganzes Netzwerk von Strohmännern und Unternehmen stützen, dem ehemalige Studienkollegen und mehrere gemeinnützige Stiftungen angehören. Offiziell seien sie die Eigentümer der Liegenschaften, wie die investigativen Journalisten von Nawalnys Stiftung herausgefunden haben wollen. Jedoch nutze Medwedjew die Anwesen. Das legen auch Fotos nahe, die der Premier hin und wieder veröffentlicht.

Doch wie skandalös die Enthüllungen auch immer sein mögen: Für Denis Primakow, Jurist von Transparency International Russland, sind sie juristisch nicht wasserdicht. So sei nicht belegbar, dass die Immobilien und landwirtschaftlichen Unternehmen tatsächlich Medwedjew gehörten. Die Korrektheit der Angaben müsse genau geprüft werden, um rechtliche Schritte einzuleiten, sagte Primakow dem Internetportal Russia beyond the Headlines.

Dmitri Medwedjew selbst hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen Nawalnys geäußert. Aber der Regierungschef Russlands dementierte die Aussage von Präsident Wladimir Putin, er sei in der Woche nach den jüngsten Veröffentlichungen krank gewesen. „Jetzt fängt es an! Der Regierungschef hat den Präsidenten beschuldigt, gelogen zu haben“, schrieb ein Twitternutzer daraufhin. „Medwedjew entzündet das Feuer der Revolution!“

Regierungschef Dmitri Medwedjew hat sich bislang zu den Anwürfen nicht geäußert

Anm. d. Red.: Der Artikel wurde aus rechtlichen Gründen nachträglich gekürzt.

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3 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Ob Gasprom-Gerd auf der Datscha schon zu Besuch war?

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Sicher nicht. Der geht zu Boss Putin, nicht zum Büttel M.

  • Und wann wird endlich gegen die deutsche Oligarchie demonstriert? https://de.wikipedia.org/wiki/Oligarchie