Anti-Korruptions-Gesetz in der Schweiz: Sportbosse sind lieb und teuer
Die Schweiz bleibt für die internationalen Sportverbände lukrativ. Steuerzahlungen garantieren quasi schon Diskretion.
Für den Schweizer Sport- und Verteidigungsminister Ueli Maurer ist Fifa-Chef Joseph Blatter noch immer der „Sepp“. Zu offiziellen Anlässen grüßt er ihn gesondert mit einem herzlichen „Grüezi“. Das ist kein Zufall. Schließlich ist Sport in der Schweiz eine boomende Branche und Fußball ihr ökonomisches Zugpferd.
Sportbosse aus aller Welt werden am Genfer See, in Lausanne und auf dem Zürichberg hofiert. Vom europäischen Fußballverband Uefa über das Internationale Olympische Komitee (IOC) bis zum Weltverband der Volleyballer (FIVB) oder dem Dachverband der Sportbogenschützen (WA): 65 internationale Sportverbände nennen die Schweiz ihr Zuhause.
„Sport ist wirtschaftlich wichtig“: Mit dieser beliebigen Formel verrät Minister Maurer das Geheimnis hinter den Schweizer Bemühungen, Sportverbände ins Land zu locken. Einer Studie der Internationalen Akademie für Sportwissenschaft in Lausanne zufolge soll die Schweiz von den insgesamt 2.150 Mitarbeitern der Sportverbände mehr als eine Milliarde Schweizer Franken Einkommensteuern kassieren.
Im Gegenzug bieten die Eidgenossen Steuervorteile, juristische Schlupflöcher und Mietbefreiungen. Sportverbände profitieren zum Beispiel von ihrer Organisationsform als im Handelsregister eingetragene Vereine. Durch das Wohlwollen des schweizerischen Zivilgesetzbuchs müssen sie nicht einmal halb so viel von ihren Gewinnen versteuern wie ein normales Unternehmen.
In vielen anderen Ländern müssten sich die Verbände eine strengere Prüfung gefallen lassen. Allerdings nicht in der Schweiz. Trotzdem – oder gerade deswegen – zahlten die Sportverbände im vergangenen Jahr rekordverdächtige 40 Millionen Franken an Steuern. So viel Geld wurde noch nie in die Schweizer Staatskassen transferiert.
Profite für lokale Wirtschaft
Diese Summe ist für die Sportchefs eine gelungene Absolutionszahlung. Schließlich verweisen Sprecher der Verbände bei kritischen Nachfragen zur Organisationsform auf die gezahlten Steuern. Dass die Steuergelder unwesentlich höher wären, würden sie als Unternehmen agieren, verschweigen die Sportbosse indes.
In der Schweiz sorgen politische Verflechtungen für Ruhe. Kein Wunder: Neben den Milliarden-Steuereinnahmen sind den Eidgenossen die Sportbosse aus aller Welt auch aus anderen Gründen lieb und teuer. Die Verbände organisieren Kongresse und Sitzungen. Allein der Fifa-Kongress in Zürich spülte jüngst über 1.000 Fußball-Funktionäre in die Stadt.
In der erwähnten Studie kommen Jean-Jacques Dethier und Stéphane Garelli zu dem Schluss, dass „der Einfluss von Sportverbänden auf die lokale Wirtschaft bislang unterschätzt“ wurde. Die lokale Wirtschaft profitiert von den Sport-Despoten. Und gelangen doch einmal Details dunkler Geschäfte ans Tageslicht, stehen die auf Sportrecht spezialisierten Juristen bereits Schlange, um zwielichtige Sportfunktionäre zu vertreten.
„Ohne die großzügigen Gehälter der Funktionäre des internationalen Sports hätten wir hier ein Problem“, sagt ein Baseler Fachanwalt, der seinen Namen nicht nennen möchte. So bekomme jeder ein Stück vom Kuchen ab und die Schweiz tausche ihren Wohlstand gegen Verschwiegenheit ein, berichtet er.
Doch das könnte sich bald ein wenig ändern: Die Korruptionsvorwürfe gegen die Fifa, die Skandale im IOC und die Unruhe in den Chefetagen der Verbände haben sich auch in der Schweiz herumgesprochen. Die Sportverbände sind mittlerweile zum Reputationsproblem für die Eidgenossen geworden. Insbesondere nach den Razzien und Festnahmen Ende Mai rund um den Fifa-Kongress ist der internationale Druck auf die Schweiz gewachsen. Nun droht den Sportbossen Ungemach. Einige hochrangige Sport-Apparatschiks gelten bereits als sogenannte Publicly Exposed Persons (PEPs) – und dürfen strenger überwacht werden.
Einer OECD-Richtlinie zufolge sind PEPs Personen, die wichtige öffentliche Ämter bekleiden und das Finanzsystem „zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung“ nutzen. Aus diesem Grund wurde nun auch eine „Lex Fifa“ auf den Weg gebracht.
Beschwerdeführer gesucht
Mit dem Gesetz wird die Privatbestechung zu einem offiziellen Delikt. Die Behörden könnten selbst aktiv werden. Bislang musste erst ein Beschwerdeführer in Aktion treten, um Korruption strafrechtlich zu verfolgen. Privatbestechung fiel bislang unter das Gesetz über unlauteren Wettbewerb und wurde – wenn überhaupt – nur milde bestraft.
Der erste restriktivere Entwurf der Regierung wurde jedoch durch das Parlament abgeschwächt. Am 10. September wurde die verwässerte Gesetzesvorlage auch durch den Ständerat, die Vertreter der Kantone, verabschiedet. Künftig wird ausschließlich bei schwereren Vergehen von staatlicher Seite aus ermittelt.
In leichten Fällen soll die Privatkorruption ein Antragsdelikt bleiben. Der Staatsanwalt wird nur aktiv, wenn der Geschädigte einen Strafantrag stellt. Die Schweiz tut sich offenbar schwer damit, das Geschacher der Sportbosse zu unterbinden. Gegen den konsequenteren Gesetzentwurf stimmte übrigens auch ein alter Bekannter: Sportminister Maurer.
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