Anti-Corona-Protest in Argentinien: Mit Nationalflaggen gegen das Virus

Auf Argentiniens Straßen richtet sich der Protest gegen die Quarantäne seit 150 Tagen – und die linke Politik von Präsident Alberto Fernández.

Eine Frau mit Karnevalsmaske und Mundschutz hält argentinische Flagge.

Nach Verlängerung der Coronamaßnahmen protestieren Tausende in Buenos Aires Foto: Natacha Pisarenko/AP/dpa

BUENOS AIRES taz | Das Hellblau und Weiß der argentinischen Nationalflagge dominierte am Montag die Straßen von Buenos Aires, als Tausende gegen die gemäßigt-linke Regierung von Präsident Alberto Fernández demonstrierten. Vor allem Angehörige der Mittel- und Oberschicht waren dem Aufruf in den sozialen Medien zum „Flagge zeigen“ gefolgt. Kritisiert wurden dabei die Einschränkungen durch die seit über 150 Tage andauernde Quarantäne.

Was die Protestierenden jedoch vor allem einte, war die Furcht, die Regierung werde die Pandemie und ihre Folgen für die Durchsetzung einer linkspopulistischen Politik nutzen. Beweis dafür sei die beabsichtigte Justizreform, mit der die Regierung die Justiz unterwerfen wolle. „Wenn das Vaterland in Gefahr ist, ist alles erlaubt, außer es nicht zu verteidigen“, twitterte Patricia Bullrich, die Vorsitzende der konservativen Partei des ehemaligen Präsidenten Mauricio Macri. Bullrich zitierte Argentiniens großen Befreiungshelden José de San Martín, dessen 170. Todestag auf diesen Montag fiel.

Obwohl die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen mit dem Coronavirus aktuell so hoch ist wie nie zuvor, schneidet Argentinien im regionalen Vergleich noch recht gut ab. Bis Montag waren knapp 300.000 Infektions- und 5.814 Todesfälle registriert. 217.850 der Infizierten sind wieder genesen. Dennoch ist der anfänglich 80-prozentige Rückhalt der Bevölkerung für den Präsidenten und seine Maßnahmen inzwischen erheblich geschrumpft.

In der Woche zuvor hatte Präsident Alberto Fernández die Maßnahmen bis zum 30. August verlängert: Wie bisher tat er es wieder vor laufender Kamera, verdeutlichte mit Grafiken und Statistiken die Situation und leitete daraus die erlassenen Schritte ab. Durch die Lockerungen beim Transport- und Individualverkehr habe sich das Virus vom Zentrum in nahezu alle Landeteile ausbreiten können, erklärte Fernández. Die Hauptstadt und ihr Großraum seien nicht mehr die alleinigen Hotspots.

Ein Impfstoff für Lateinamerika

Für die einen ist Fernández ein guter Kommunikator und Administrator der Pandemie. Für die anderen ein autoritärer Oberlehrer, der ihnen Freiheiten entzieht. Ein Großteil der Bevölkerung hält sich schlicht nicht mehr an die strikten Vorgaben der Regierung. Deshalb beließ es der Präsident bei den schon zuvor erlassenen Lockerungen. Geschlossen oder stark eingeschränkt bleibt, wo die Regierung die Regeln auch durchsetzen kann: Universitäten, Schulen, Kindergärten, Fernbus- und Flugverkehr, Sportstätten und Fitnesscenter sowie jegliche Großveranstaltungen mit Publikum.

Erstmals gab Fernández auch Anlass zur Hoffnung: Gemeinsam mit Mexiko werde Argentinien mit der Produktion eines Impfstoffs beginnen, mit dem vor allem Lateinamerika versorgt werden soll, kündigte er an. Dabei handelt es sich um den Impfstoff, der von der Universität Oxford und dem schwedisch-britischen Pharmaunternehmen Astra Zeneca entwickelt wurde.

Von diesem sollen in den ersten Monaten des kommenden Jahres 150 Millionen Dosen in Argentinien und Mexiko hergestellt werden. Der Einzelpreis werde zwischen 3 und 4 Dollar liegen, erklärte der Präsident.

Flankiert wurde Fernández vor der Kamera wieder vom konservativen Hauptstadtbürgermeister Horacio Rodríguez Larreta und dem linken Gouverneur der Provinz Buenos Aires, Axel Kicillof. Die beiden sind nicht nur zuständig für die Área Metropolitana, in der 16 Millionen der 45 Millionen Argentinier leben und die in absoluten Zahlen die meisten Fälle aufweisen.

Sie zeigen auch, dass in Sachen Corona eine parteiunabhängige Allianz der verantwortlichen Amtsträger besteht. Er werde sich am Montag an keinerlei Protestaktion beteiligen, hatte Horacio Rodríguez Larreta erklärt.

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