Anthropologie des Badezimmers: Wo zum Teufel ist der Mülleimer?
Badezimmer sagen viel über die Menschen aus, denen sie gehören: von verkalkten Zahnbürsten-Gläsern, künstlichen Zimmerpflanzen und 5-1-Duschgels.
I ch habe schon viele Badezimmer gesehen. Nicht so, wie ihr denkt. Auch Bäder von Freund:innen, Kolleg:innen und Bekannten (Hallo Mama!). Gerade bei Menschen, die man nicht so gut kennt, kann ein Blick ins Bad sehr aufschlussreich sein. Hier die drei Badezimmer-Typen, die mir in meinen anthropologischen Feldforschungen am häufigsten begegnet sind.
Hat keinen Mülleimer
Es gibt eine Pflanze auf der Fensterbank, die den Zugang zum Fenster erschwert (was problematisch ist, wenn man gestresst frische Luft reinlassen will) und sich bei näherem Hinsehen als künstlich entpuppt. Der Badezimmervorleger ist grau, die Handtücher ebenfalls und alles riecht nach aggressiver Neutralität. Wie jeder weiß, sind alle anderen Farben und Düfte in Männerbadezimmern illegal.
Es gibt eine 5-in-1-Dusche-Shampoo-Conditioner-Flasche (Duft: „Aggressive Wind“ oder wie solche Pflegeprodukte heißen) auf der Ablage und das war’s auch schon. Das wichtigste Detail ist eines, das durch Abwesenheit glänzt: Es gibt keinen Mülleimer.
Wie du deine Tampons, Wattepads oder Q-Tipps entsorgen sollst, scheint ihn nicht zu kümmern. Wie Fast-Food-Restaurants ist dieses Badezimmer nicht dazu gedacht, dass du dich hier wohl fühlst.
Halbes Spa
Dieses Badezimmer ist eine Reise. Und zwar eher ein Kurztrip aus einem Jochen-Schweizer-Katalog als eine Zeit-Studienreise nach Nepal. Eine Wand mit einem interessanten Palmenmotiv auf der einen Seite und eine riesige Monstera-Pflanze auf der anderen.
Es riecht nach sechs verschiedenen Düften gleichzeitig, und alle Dinge des täglichen Bedarfs, die üblicherweise in greifbarer Nähe sind, sind in kleinen goldenen Schalen untergebracht.
Bei vielen Schälchen wird dir nicht klar sein, ob es loser Tee ist oder Potpourri. Nur Klopapier suchst du vergeblich, bis dir nach sechs langen Minuten ein dekorativer Klopapierschutz auffällt, hinter dem sich einlagiges Toilettenpapier verbirgt, das wirklich an Folter grenzt.
11er-WG-Klo mit Duschkabine
In diesem Badezimmer gibt es von allem zu viel. Na ja, von Platz und frischen Handüchern mal abgesehen. Im Waschbecken sind getrocknete Zahnpastestreifen und im Zahnputzbecher sind ungefähr acht Zahnbürsten, die ohne Mindestabstand fast Kopf an Kopf ein verkalktes Ikeaglas ihr Zuhause nennen.
Die Vermutung liegt nahe, dass die eine oder andere Zahnbürste einem Mitbewohner gehört, der schon vor Monaten nach Brüssel zog für einen Job.
Neben dem Klo liegt natürlich die alte, zerflederte Titanic-Ausgabe, damit du auch weißt, dass Humor in dieser Wohnung wichtig ist. Daneben noch eine Brand Eins, die der BWLer, der mal ein halbes Jahr in der WG gewohnt hat, neben einem gescheiterten Putzplan zurückließ.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben