Anschlag auf linkes Wohnprojekt: Polizei findet Anzeige doch wieder

Unbekannte lockerten die Radmuttern von Autos eines linken Hausprojekts in Göttingen. Von einer Anzeige wollte die Polizei zunächst nichts wissen.

Weißes würfelförmiges Haus mit dem Schriftzug "Gekommen, um zu bleiben"

Nicht von allen gern gesehen: linkes Hausprojekt OM10 in Göttingen Foto: Swen Pförtner

Wer suchet, der findet, heißt es in der Bergpredigt. Eine andere Redensart lautet: Manchmal muss der Hund zum Jagen getragen werden. Beides passt auf einen Vorgang in Göttingen. Denn nachdem eine Anzeige des linken Hausprojekts „OM10“ bei der Polizei zunächst verschollen schien, ist sie nun doch aufgetaucht.

„OM10“ machte in einer Pressemitteilung auf den Vorgang aufmerksam und daraufhin von der Polizei „durchgeführte Recherchen haben ergeben, dass der Vorfall am 25. 11. 19 durch einen Polizeibeamten, der an diesem Tag Funktionsdienst hatte, aufgenommen wurde“, teilte Polizeisprecherin Michaela Burchardt mit.

Die „OM10“ – sie hatte das lange Zeit leer stehende ehemalige Göttinger Gewerkschaftshaus zunächst besetzt und später gekauft – hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass an zwei Autos ihrer Mitglieder Radmuttern gelöst worden waren. In einem Fall hätten der oder die Täter die Mutter entfernt. Weil der Anschlag entdeckt wurde, kam niemand zu Schaden.

Eine der betroffenen Personen wollte die Tat bei der Polizei anzeigen. Um auf ein mögliches Tatmotiv aufmerksam zu machen, habe sie auf der Wache auch angegeben, in dem Hausprojekt aktiv zu sein. Der diensthabende Beamte habe jedoch „unmissverständlich“ signalisiert, dass er sich für diesen Vorgang nicht sonderlich interessiere. Es sei ja nichts passiert, nichts abhanden und niemand zu Schaden gekommen. Erst auf Drängen hin habe der Polizist schließlich einen „Vermerk auf einem Schmierzettel“ gemacht.

OM10 verdächtigt Neonazis

Auf Nachfrage der taz und anderer Medien erklärte die Polizei zunächst, eine solche Anzeige sei nicht bekannt. Am Donnerstag hieß es dann: Interne Recherchen hätten ergeben, dass der Vorfall doch angezeigt worden wäre. Man sei auch tätig geworden und habe ein Verfahren wegen des Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr eingeleitet.

Andere Straftatbestände zieht die Polizei zurzeit offenbar nicht in Betracht, ergab eine Rückfrage der taz. Dabei kommt hier nach Auffassung des Hausprojektes „OM10“ durchaus auch ein versuchtes Tötungsdelikt infrage. Schließlich hätten die Täter „Unfälle mit ggf. tödlichen Folgen in Kauf genommen“.

Die „OM10“ vermutet die Urheber in der rechtsex­tremen Szene und verweist auf eine Häufung neonazistischer Übergriffe und Anschläge in jüngster Zeit in Göttingen. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, würde das eine neue, lebensbedrohende Eskalation rechter Gewalt in der Stadt bedeuten.

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