Anna Klöpper über die Bildungsgerechtigkeit an Privatschulen: Arme Schüler sind den Privatschulen zu teuer
Wer sein Kind auf eine Privatschule gibt, gerät schnell in den Verdacht der Dünkelhaftigkeit: Privatschule, das klingt nach einem elitären Klub für ehrgeizige Eltern mit überdurchschnittlichem Einkommen.
Leider ist zumindest an dem Klischee mit Papas (oder Mamas) dicker Brieftasche auch etwas dran, wie am Dienstag die Antwort der Bildungsverwaltung auf eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck zeigte: An den 77 nachgefragtesten allgemein bildenden Schulen in freier Trägerschaft kommen insgesamt nur rund 1.000 Schüler aus armen Familien – eine Quote von gerade mal 3,7 Prozent. „Arm“ heißt in diesem Fall, dass die Kinder lernmittelbefreit sind: Wenn Eltern Leistungen vom Jobcenter beziehen, müssen sie kein Büchergeld zahlen. Zum Vergleich: An den staatlichen Schulen liegt sie im Schnitt bei rund 35 Prozent. In vielen Schulen, etwa in Wedding und Neukölln, sind Quoten von 80 Prozent und mehr lernmittelbefreiter Schüler normal.
Die Bildungsverwaltung hatte sich immer geweigert, diese Daten herauszugeben: Man wolle kein „Armutsranking“ der Schulen. Die Bildungsverwaltung begründete die Kehrtwende zunächst nicht weiter. Denkbar allerdings, dass Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) den öffentlichen Druck auf die Privaten erhöhen will, die zuletzt auch durch eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin in Misskredit gebracht wurden. Denn knapp 90 der rund 161 freien Schulen in Berlin halten sich nicht an die Senatsvorgabe, dass die Untergrenze des monatlichen Schulgelds maximal 100 Euro betragen darf – und dass es zudem eine Ermäßigung für Hartz-IV-Haushalte und Geringverdiener geben muss.
Das im Grundgesetz festgeschriebene Sonderungsverbot, nach dem kein Kind vom Besuch einer Privatschule ausgeschlossen werden darf, nur weil die Eltern nicht reich genug sind – viele Berliner Privatschulen schert das also nicht.
Ende 2017 will die Bildungsverwaltung die Finanzierung der Privatschulen neu regeln: Je nach Zahl der Kinder aus „armen“ Familien gibt es zusätzliche Gelder vom Land – denn viele Privatschulen sagen: Wir brauchen die Elternbeiträge, wir können uns zu viele „arme“ Kinder schlicht nicht leisten.
In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Berliner Privatschüler mehr als verdoppelt. Gute Bildung muss man sich also leisten können? Eigentlich nicht der Slogan eines sozialdemokratisch regierten Senats.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen