Anleitung für migrantische Hochzeiten: Feier, tanz, amüsier dich!
Bei migrantischen Hochzeiten denken die meisten an hupende Autokorsos – doch sie sind mehr als das. Drei Berichte aus einem feierintensiven Sommer.
Migrantische Hochzeiten gehören inzwischen zum Straßenbild jeder deutschen Großstadt: hupende Autokorsos, Trommelmusik, glitzernde Kleider in den Schaufenstern. Auch wenn sich bosnische, arabische, kurdische Hochzeiten natürlich voneinander unterscheiden, haben Hochzeitstraditionen aus diesen Regionen viele Gemeinsamkeiten. Je nach Feierlaune können Hennaabend (das Äquivalent zum Junggesellinnenabschied), Abholen der Braut und Hochzeitsfeier mehrere Tage dauern. Um diesen Marathon an lauter Musik, zu viel Essen und emotionalem Auf und Ab zu überstehen, ist einiges an Planung von den Feierenden gefragt: Festliche Kleider müssen vorher gekauft, Blasenpflaster, Ohrstöpsel und andere Essentials eingepackt und, falls vorgesehen, muss ein Geschenk besorgt werden.
Auf der Hochzeitsfeier, auf der 200 bis 1.000 Gäste nicht unüblich sind, stehen Tanz und Rituale im Vordergrund. Reden und Hochzeitsspiele, die bei deutschen Hochzeiten oft für Cringe-Momente sorgen, gibt es keine. Auch einen Hochzeitswalzer und Baumstammsägen vom Brautpaar wird man auf einer türkischen oder arabischen Hochzeit nicht erleben.
Was die Traditionen aber auch bedeuten, sind klar definierte, heteronormative Rollenbilder, viel Aufmerksamkeit auf Äußerlichkeiten und enorme Kosten – von dem Zurschaustellen der Braut über den sozialen Druck, übertriebene Geld- und Schmuckgeschenke zu machen, bis hin zur Männlichkeitsdemonstration durch geleaste Luxusautos, mit denen die Braut abgeholt wird. Trotzdem, das symbolische Übergeben der Braut an den Bräutigam existiert im Gang zum Altar am Arm des Vaters auch auf deutsch-deutschen Hochzeiten. Der Fokus auf Geld und Schönheit füllt regelmäßig Hochzeitsmessen und die Sofas deutscher Wohnzimmer für Reality Shows. Da sind sich Menschen doch überall recht ähnlich.
Natürlich sind die Ursprünge mancher Traditionen inzwischen fern von der Lebensrealität junger Menschen in Deutschland, und Rituale sind inzwischen vielmehr Sinnbild der eigenen Wurzeln. Hochzeiten dienen als Partymöglichkeit mit eigener Musik im migrantischen Umfeld und als Anlass, die Familie aus verschiedenen Ländern zusammenzubringen.
Von dem Spagat zwischen Tradition und ihren eigenen Werten sowie migrantischen Wurzeln und deutscher Prägung erzählen drei Menschen – ein Bräutigam, eine Braut und eine Mutter des Bräutigams. Sie geben einen Einblick in den Ablauf ihrer Hochzeiten, zeigen, was hinter den Kulissen passiert und wie sie die Traditionen und ihre Lebensweise in Einklang gebracht haben.
Mehr als ich gewohnt bin
Die Hochzeit war Stress pur. Herzrasen, Bauchschmerzen. Ehrlich gesagt war ich so aufgeregt, dass ich mich kaum mehr an die Hochzeitsfeier erinnern kann. Du stehst den ganzen Tag im Mittelpunkt, alle schauen dich an. Da darfst du dir keine Fehler leisten. In meinem Kopf war nur: nicht hinfallen, immer lächeln!
Aber ich habe mich auch wie eine Prinzessin gefühlt. In den Kleidern, die durch die glitzernden Steine drauf auch super schwer waren, mit den Haaren und der Schminke: Das war alles ein bisschen mehr als ich gewohnt bin, aber das hat es auch besonders gemacht.
Weil die Hochzeitsfeier so überwältigend und anstrengend war, war für mich der Hennaabend der schönste Teil der Hochzeit. Mit meinen Freundinnen und meiner Familie zu tanzen, nur unter Frauen. Eigentlich ist der Hennaabend ein trauriger Anlass. Aber die Bedeutung, dass ich als Braut meine Familie verlasse, um zu meinem Ehemann zu ziehen, leben wir nicht mehr. Ich wohne schon lange allein, und von meiner Mutter muss ich mich nicht verabschieden. Trotzdem habe ich geweint, weil meine Mama geweint hat. Für sie war es ein emotionaler Moment, als wir uns voneinander verabschieden sollten und ich das Henna auf die Hand gemacht bekommen habe.
Mir war wichtig, neben dem weißen Hochzeitskleid und dem roten Kleid für den Hennaabend auch die albanischen Trachten zu tragen und den traditionellen Handkuss bei meiner Schwiegermutter zu machen. Der Handkuss ist ein Zeichen von Respekt und dafür, dass ich eine gute Schwiegertochter für sie sein möchte. Mit dem Tragen der Trachten wollte ich zeigen, dass ich ihre Tradition bewahre. Jetzt im Sommer haben wir eine weitere Hochzeit, die der Schwester meines Mannes, in der Familie. Da trage ich als neue Braut auch die Tracht. Darauf freue ich mich, aber ich bin auch gespannt, wie das wird.
Jetzt nach der Hochzeit fühle ich mich mehr angekommen in der Familie meines Mannes. Zwischen ihm und mir hat sich aber nichts geändert, wir waren vorher schon wie Familie.
Büsra, 26, hat im Frühling in Berlin geheiratet. Ihre Familie hat türkische, die ihres Mannes albanische Wurzeln.
Schöne Zeit statt Profit
Für uns war klar, dass wir einige Traditionen nicht machen wollen. Traditionell trägt die Braut bei türkischen Hochzeiten ein rotes Band um die Hüfte. Das symbolisiert ihre Jungfräulichkeit. Meine Frau hat von Anfang an gesagt, das möchte sie nicht tragen. Und auch die türkische Tradition, dass alle Gäste der Reihe nach dem Brautpaar ihre Geldgeschenke an eine umgehängte Scherpe heften und jemand laut in ein Mikrofon vorliest, wie viel jede Familie geschenkt hat, wollten wir nicht. Wir machen die Hochzeitsfeier ja, um eine schöne Zeit zu haben, und nicht, um Profit daraus zu schlagen. Wir wollten auch keine riesige Hochzeit: 80 bei der Feier nach der standesamtlichen Trauung und 160 Gäste bei der großen Hochzeitsfeier. Normalerweise sind die Feiern so groß, dass alle Leute einfach rein, und rausgehen, manchmal sogar Fremde. Wir wollten nicht irgendwelche Cousins einladen, die wir nicht kennen, nur weil meine Eltern dort mal auf eine Hochzeit eingeladen waren.
Was mir auch Bauchschmerzen bereitet hat, war ein Moment bei der islamischen Hochzeit in der Moschee. Das läuft ähnlich wie die standesamtliche ab. Der Imam fragt drei Fragen, die ich mit Ja und meine Frau mit Ja oder durch Schweigen bestätigen musste. Als der Imam meine Frau gefragt hat, wie viel Geld sie von mir als Unterhalt verlangt, und obwohl meine Frau gesagt hat, dass sie das nicht braucht, hat der Imam darauf bestanden, weil man das so macht bei uns. Da wird wieder unterstellt, dass die Frau von ihrem Mann abhängig ist. Das fanden wir unangenehm, und das hört man öfter: Die Frau kommt durch die Hochzeit zum Mann und seiner Familie, aber nie: der Mann auch zur Frau. Dabei haben wir uns gegenseitig geheiratet.
Als Tipp würde ich sagen, esst euch nicht beim ersten Gang schon satt, da kommt noch mehr. Und sagt als Gast mal bei der Familie des Brautpaares hallo. Ansonsten einfach mittanzen. Ich nehme jetzt immer ein kleines Handtuch mit, denn man kommt richtig ins Schwitzen.
A., 25, hat im letzten Jahr standesamtlich und vor einigen Wochen islamisch und mit großer Feier geheiratet. Seine Familie hat marokkanische, die seiner Frau türkische Wurzeln.
Bloß nicht zu pompös
Wir haben unsere Traditionen und versuchen, sie aufrechtzuerhalten. Aber vieles kann man hier auch nicht machen, und ich habe schon viele kleine Bräuche vergessen, die wir im Kosovo hatten. Da haben sich am ersten Tag der Feierlichkeiten alle Frauen aus der Familie und Nachbarschaft in dem Haus der heiratenden Familie verabredet und begonnen, das Essen und die Näharbeiten für die Hochzeit zu machen. Das war für mich der Start der Hochzeit. Dann haben die Männer die Trachten und Kleider, die die Frauen für die neue Braut genäht haben, als Willkommensgeschenk zu der Familie der Braut gebracht. Darin ist sie dann nach ihrem Hennaabend zu ihrer Hochzeit im Haus ihres Bräutigams gefahren worden. Auch sie hat Handarbeiten mitgebracht, um zu zeigen, dass sie eine geeignete Braut für den Haushalt ist.
So liefen die Hochzeiten damals ab, das hat eine Woche gedauert. Aber der Lebensrhythmus war auch anders, oder würdest du dir mehrmals im Jahr eine Woche für Hochzeiten freinehmen? Jetzt feiern wir in großen Sälen, das Essen ist bestellt und alles ist nach zwei Tagen vorbei.
Mir war es wichtig, die Hochzeit nicht zu groß und auffällig zu machen, um die Atmosphäre an dem Ort, an dem wir leben, nicht zu stören. Zum Beispiel, als wir uns vor unserer Haustür hier in Berlin versammelt haben, um die Braut abzuholen, habe ich vorher mit der Polizei besprochen, wo wir unsere Autos parken dürfen, um die Straße nicht zu blockieren. Ich wollte nicht, dass unsere Nachbarn und Menschen, die vorbeilaufen, sagen: „Guck mal, was für übertriebene Feiern die veranstalten“, sondern dass andere Leute schön finden, wie wir feiern und sich mit uns freuen.
Mit der Hochzeit feiern wir, dass wir ein neues Familienmitglied bekommen. Meine Schwiegertochter soll wie eine eigene Tochter für mich werden, und ich möchte sie dabei unterstützen, sich in unsere Familie und die für sie neuen Traditionen einzuleben.
Mein Rat an alle, die noch nie auf einer migrantischen Hochzeit waren: Festoj, luaj, kenaqu! Das heißt so viel wie: Feiere, tanze, amüsiere dich!
Miqe hat die Hochzeit ihres Sohnes vor einigen Wochen organisiert. Sie stammt aus dem Kosovo.
Der Text ist in Zusammenarbeit mit der Medienakademie der Jungen Islamkonferenz entstanden, die junge Menschen diverser Hintergründe beim Weg in den Journalismus unterstützen möchte.
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