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Ankunftszentrum TempelhofSchnell raus hier

259 Flüchtlinge können aus dem Hangar ausziehen. Flüchtlingsrat: Druck auf Senatorin hat gewirkt, aber Kaserne ist nicht viel besser.

Willkommen in Berlin? Das Ankommen in einer Wohnwabe soll bald Vergangenheit sein Foto: dpa

Plötzlich geht es doch, und zwar ganz schnell: Das Ankunftszentrum Tempelhof, wo derzeit 259 Flüchtlinge unter schwierigsten Bedingungen in einem Flugzeug-Hangar leben müssen, wird bis Weihnachten freigezogen. Das erklärte Regina Kneiding, Sprecherin von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke), am Donnerstag der taz und bestätigte damit einen Bericht des Neuen Deutschland.

Die Geflüchteten würden in der Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne in Spandau untergebracht. Dort gibt es noch eine – fast leere – Notunterkunft, seit einigen Wochen werden hierhin aber auch Flüchtlinge aus dem Hangar „ausgelagert“. Menschen, die jetzt neu in die Stadt kommen, sollen nur noch so lange im Hangar bleiben, bis die medizinische Erstuntersuchung und -registrierung abgeschlossen sind – „also möglichst nur ganz kurz“, so Kneiding.

Seit das Ankunftszentrum im Hangar vor gut zwei Jahren eröffnete, steht es in der Kritik. Zuletzt hatte der Flüchtlingsrat am Tag der Menschenrechte, am 10. Dezember, die Zustände angeprangert: Die Flüchtlinge, untergebracht in engen „Wohnwaben“, müssten frieren, litten unter Lärm und Stress und bekämen über Wochen nicht die ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen. Seit Mai dauert der Registrierungsprozess wegen Personalproblemen beim Landesflüchtlingsamt (LAF) oft Wochen, erst danach werden die Menschen auf andere Unterkünfte verteilt.

Die Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne ist nun eine von zwei Zwischenlösungen, bis in etwa einem Jahr das kürzlich vom Senat beschlossene neue Ankunftszentrum auf dem Gelände der früheren Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Reinickendorf gebaut ist. Die zweite Zwischenlösung soll im ersten Quartal 2019 bezogen werden: Dabei handelt es sich um zwei Gebäude auf dem Bonhoeffer-Gelände, die sogenannten Sternhäuser. Dort könnten auch die Erstregistrierung und -untersuchung des LAF stattfinden, so Kneiding – womit der Hangar dann endgültig ausgedient hätte. Bislang sind die Sternhäuser eine Gemeinschaftsunterkunft mit 560 Menschen.

Möglich geworden ist der kurzfristig anberaumte Auszug laut Breitenbachs Sprecherin zum einen, weil das LAF die Spandauer Kaserne ein Jahr länger vom Bund überlassen bekommt. Eigentlich sollte die Notunterkunft bis Jahresende leer sein. Zum anderen seien bald zwei neue Unterkünfte in Reinickendorf fertig, in die Menschen aus den Sternhäusern dann umziehen könnten.

Es bleibt der Eindruck, dass die nunmehr ausgewählte schäbige Notunterkunft in Spandau wie der Hangar zur Abschreckung Geflüchteter dienen soll.

Georg Classen vom Flüchtlingsrat erklärte auf taz-Anfrage, der auf die Senatorin ausgeübte Druck habe offenbar gewirkt. „Aber angesichts von Tausenden freien Plätzen in Unterkünften mit regulären Standards fragen wir uns, weshalb man zur Aufnahme neu angekommener Asylsuchende wieder nur Notunterkünfte nutzen will.“

Die Kaserne sei zwar als Gebäude sehr viel besser als der Hangar, aber derzeit völlig verwahrlost. Die hygienischen Zustände seien katastrophal, eine Sozialbetreuung der neu Ankommenden finde de facto nicht statt, die Menschen bekämen auch dort vom LAF nicht die ihnen zustehenden Leistungen wie Taschengeld und Gesundheitskarte. Classen: „Es bleibt der Eindruck, dass die nunmehr ausgewählte schäbige Notunterkunft in Spandau wie der Hangar zur Abschreckung Geflüchteter dienen soll.“

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