Anklage gegen Greenpeace-Aktivisten: Höchststrafe halbiert
Den Greenpeace-Aktivisten wird statt „Piraterie“ nun „Rowdytum“ vorgeworfen. Experten bezweifeln die Anklage wegen der Aktion auf hoher See.
MOSKAU taz | Russlands Ermittlungsbehörden haben den Vorwurf der Piraterie gegen die 30 in Murmansk inhaftierten Greenpeace-Aktivisten fallen gelassen. Stattdessen werden sie nun mit der abgemilderten Anklage des Rowdytums konfrontiert, sagte Wladimir Markin von der Ermittlungsbehörde. Mit dem neuen und abgemilderten Vorwurf sinkt auch das maximal mögliche Strafmaß von 15 auf 7 Jahre.
„Wir sind weder Piraten noch Rowdys, wir sind Umweltschützer“, kommentierte Dmitri Kusnetzow vom Moskauer Greenpeace-Büro gegenüber der taz den neuen Vorwurf. Auch dieser sei ein Angriff auf das Recht auf friedlichen Protest, erklärte Greenpeace Russland. „Wir werden uns dagegen genauso zur Wehr setzen wie gegen den Vorwurf der Piraterie.“
Von einem friedlichen Protest könne keine Rede sein, sagte hingegen Wladimir Markin. Neben der Anklage auf Rowdytum drohe einigen Mitgliedern der Crew der „Arctic Sunrise“ auch ein Verfahren wegen Gewalt gegen die Staatsgewalt, so der Sprecher der Ermittlungsbehörde. Dafür drohen bis zu 10 Jahre Haft.
Mit der Änderung der Anklage gegen die Umweltschützer geht der juristische Streit in eine neue Runde. Am Mittwoch hatte Russland erklärt, es werde sich an dem Verfahren vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg nicht beteiligen. Die Niederlande, unter deren Flagge die „Arctic Sunrise“ fuhr, hatten dort beantragt, Mannschaft und Schiff freizulassen.
Ausschließliche Wirtschaftszone
Beobachter stellen sich die Frage, ob Russland überhaupt berechtigt war, in internationalen Gewässern gegen Rowdytum vorzugehen, das Schiff zu beschlagnahmen, die Mannschaft zu verhaften. In der sogenannten ausschließlichen Wirtschaftszone, in der die Greenpeace-Crew verhaftet worden war, gelte nicht russisches Recht. Russland hätte vielmehr bei Vorliegen von Rowdytum die Niederlande über den Vorfall informieren müssen, meint der Greenpeace-Jurist Anton Beneslawski.
Nur die Niederlande hätten dann die Mannschaft, sollte ihr Rowdytum nachgewiesen werden können, sanktionieren können, so Beneslawski. „Exterritoriales Rowdytum ist für mich ein völliges Novum“, kommentierte der Anwalt Nikolai Polosow auf Twitter.
Und Alexei Nawalny will in seinem Internetblog wissen, wie man eigentlich 100 Kilometer vom Ufer entfernt die öffentliche Ordnung stören könne. Russlands Außenministerium sieht dies anders. Greenpeace hätte eindeutig russisches Recht über die ausschließliche Wirtschaftszonen verletzt, heißt es in einer Erklärung.
Letztendlich würden nicht das Gericht oder die Ermittlungsbehörden, sondern die Diplomaten die Krise entschärfen, glaubt hingegen Michail Fedotow, Vorsitzender des beim russischen Präsidenten angesiedelten Menschenrechtsrates.
Unterdessen solidarisieren sich immer mehr russische Umweltschützer und Menschenrechtler mit den Ökologen. Für den Sonntag sind in 20 russischen Städten Protestaktionen für die „Arctic30“ geplant.
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