: Ankläger: Der Pastor tötete im Haß
■ Staatsanwalt fordert für Pfarrer Geyer acht Jahre Haft wegen Totschlags im Affekt. Brief einer Geliebten löste angeblich Ehestreit aus
Braunschweig (taz) – „Ich beantrage, ihn zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren zu verurteilen.“ Es ist sehr still im Gerichtssaal, als Staatsanwalt Ulrich Hennecke sein Plädoyer beendet. Der Angeklagte, Pfarrer Klaus Geyer aus Beienrode, schaut nicht von seinen Notizen auf, nur seine Augenbrauen wandern für einen Moment in die Höhe. Der Geistliche wird beschuldigt, seine Frau Veronika Geyer-Iwand getötet zu haben. Die Anklage lautet auf Totschlag. Nach fünfzehn Verhandlungstagen vor dem Braunschweiger Landgericht sieht die Staatsanwaltschaft Geyers Schuld als erwiesen an.
Zu Beginn seiner zweistündigen Rede betont der Staatsanwalt die Besonderheit dieses Indizienprozesses. „Normal“ sei das Delikt: Mann tötet seine Frau. „Nicht normal“ sei das Berufsbild des Angeklagten und das daraus resultierende Medieninteresse: Klaus Geyer ist der erste Pfarrer in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte, der wegen eines solchen Gewaltverbrechens vor Gericht steht.
Schritt für Schritt versucht Hennecke dann, das Geschehen zu rekonstruieren. Er geht davon aus, daß es bereits am Morgen des 25. Juli 1997 – dem Tag, an dem die Pastorenfrau verschwand – zu einer Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten gekommen ist. Anlaß sei der Brief einer Geliebten an Klaus Geyer gewesen, der an diesem Morgen eintraf.
Die weiteren Stationen dieses Tages aus der Sicht der Ankläger: Veronika Geyer-Iwand fährt nach Braunschweig zum Einkaufen, ihr Mann folgt ihr später nach. Sie verlassen streitend die Stadt, um sich bei einem Spaziergang auszusprechen. Weil es regnerisch ist, trägt Klaus Geyer die Gummistiefel, an denen ein Gutachter später Erde finden wird, die wahrscheinlich vom Leichenfundort stammt. Veronika Geyer-Iwand droht, ihren Mann wegen seiner zahlreichen Seitensprünge zu verlassen. Klaus Geyer schlägt zu. Packt die Bewußtlose ins Auto und schafft sie in den Wald, wo er erneut in Rage gerät und ihr das Gesicht zertrümmert. „In diesem Moment hat er seine Frau gehaßt.“ Daß der Angeklagte sehr bald wiederholt Sex mit verschiedenen Geliebten gehabt habe, sei ihm, so Hennecke, „noch nicht vorgekommen“.
Der Staatsanwalt schildert die Geyersche Ehe als Zweckgemeinschaft, in der vor allem der Mann vom familiären Hintergrund seiner Frau profitiert habe. Der Angeklagte schüttelt nur immer wieder den Kopf. Auf Vorwürfe seiner Frau, die die Dominante in der Beziehung gewesen sei, habe Geyer wohl mit der Haltung reagiert: „Mir kann doch keiner.“ Um so schlimmer müsse der Schock einer möglichen Trennung gewesen sein, durch die Geyer seine Ehrenämter und seine Pastorenstelle verloren hätte. Dabei zählt Hennecke Klaus Geyers kirchliches und politisches Engagement – „in der sogenannten Friedensbewegung“ – auf, als handele es sich um ein Sündenregister.
Seine Version des Verbrechens glaubt der Staatsanwalt mit Zeugenaussagen und anderen Indizien beweisen zu können. „Jeder Einzelpunkt würde niemals zu einer Verurteilung führen. Aber alle zusammen ergeben ein Mosaikbild.“ Zeugenaussagen, die nicht in sein Bild passen, wischt Hennecke als „unglaubhafte Angaben“ vom Tisch. Ebenso den Streit um das Erdgutachten und die relativ große Spannbreite bei der Tatzeit. Auf das ungelöste Problem des Tatwerkzeugs will er erst gar nicht eingehen. Geyers eigene Angaben versteht er als reine Makulatur: Der habe während des Verfahrens seine Aussagen „permanent an die Beweislage angepaßt“. So einfach wie Hennecke wird es sich das Gericht mit diesen Punkten wohl nicht machen können.
Hennecke geht von einer Tat im Affekt aus. Gegen eine milde Strafe spreche allerdings Geyers Verhalten nach der Tat. Er habe weder gestanden noch „Einsichtsfähigkeit“ gezeigt. Der Prozeß wird am kommenden Dienstag mit dem Plädoyer der Verteidigung fortgesetzt. Bascha Mika
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