Anhörung im Fall Assange: USA bezweifeln Gutachten
Die US-Anwältin fordert eine Neueinschätzung zum psychischen Zustand des Wikileaks-Gründers Assange. Die war bei der Ablehnung der Auslieferung relevant.
Eine Richterin des englischen Kriminalgerichts Old Bailey hatte im Januar geurteilt, dass Assange nicht in die Vereinigten Staaten ausgeliefert werden dürfe, da die Haftbedingungen ihn dort zu einem Suizid drängen könnten. Die USA werfen ihm Spionage vor. Assange sitzt derzeit im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Südostlondon fest, bis das Urteil über die Berufung der USA gefallen ist.
Er verfolgte die jetzige Anhörung per Videoübertragung aus der Haft, mit weißem Hemd bekleidet und Brille und Maske im Gesicht. Unterdessen hatten sich Unterstützer*innen Assanges vor dem Gericht versammelt, darunter auch der ehemalige Labourparteichef Jeremy Corbyn.
Die USA wollen nun unter anderem die Einschätzung des britischen psychiatrischen Experten Professor Michael Kopelman zu Assanges schlechter psychischer und körperlicher Verfassung hinterfragen. Die Anwältin der Anklage, Clair Dobbin, gab an, diese sei zweckwidrig gewesen, da Kopelman am Anfang nicht genügend Angaben zu der Beziehung Assanges zu seiner vorherigen Anwältin und nun Verlobten, Stella Moris, und den gemeinsamen Kindern gemacht hätte.
Berufung wird es geben
Das ist für die Einschätzung der Suizidgefahr wichtig, weil die Sorge um Familie und Kinder die Wahrscheinlichkeit eines Suizids senken könnte. Laut Kopelmans Beurteilung würde Assange jedoch einen potenziellen Suizid nicht aus rationellen Gründen begehen, sondern aufgrund von Depressionen in Kombination mit seinem Autismus.
Assanges Anwalt Edward Fitzgerald gab an, dass die Richterin in der ersten Instanz Kopelmans Aussagen trotz der verspäteten Erwähnung der Familie als unparteiisch und rückhaltlos beschrieben habe. Zudem habe Kopelman Assanges Kinder und Verlobte nicht ganz vertuscht, sondern einige Male auch am Anfang erwähnt. Der Experte selbst hatte angegeben, so gehandelt zu haben, um die Privatsphäre der Familie zu schützen.
Eine Berufung wird es auf jeden Fall geben. Die Frage ist nur, ob die Argumente der US-Anwaltschaft zulässig sind oder nicht. Das Gutachten war für das Scheitern der Auslieferung in der ersten Instanz elementar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz