: Angst vor bad vibes
Schwingende Alster: Die Feuerwehr hat sich auf das Spektakel gut vorbereitet ■ Von Matthias Greulich
Der Mann im Eis rudert mit den Armen und schreit lauthals um Hilfe. Ein paar Meter entfernt, am Ufer der Binnenalster, steht ein Feuerwehrmann und gibt gute Ratschläge. „Bleiben Sie ruhig“, rät er dem Eingebrochenen, „nicht unnötig bewegen.“ Derweil wird ein leuchtorangefarbenes Schlauchboot zu Eise gelassen. Rechts und links vom Boot pirschen sich die Retter auf Leitern Meter um Meter an die Unglücksstelle heran. Jetzt haben sie den Mann. Sie ziehen die bibbernde Gestalt ins Boot und kehren zum Ufer zurück, wo Sanitäter mit wärmender Goldfolie des Unglücksraben harren. Der ist gestern tapfer freiwillig ins Eis gegangen: Rechtzeitig zum Alsterspektakel probt die Feuerwehr den Ernstfall.
„In drei bis vier Minuten können wir am Einsatzort sein und Eingebrochene aus dem Eis retten“, bilanziert Feuerwehrmann Michael Krupski. Ein Freibrief für Vorwitzige, die sich gerne auf der gefährlich brüchigen Fläche unter Brücken herumtreiben, ist dies allerdings nicht. Denn wenn der Verunfallte unter die Eisdecke gerät, wird es problematischer. „Dann“, sagt Krupski, „müssen wir unsere Taucher einsetzen.“ Und bis die vor Ort sind, vergehen gut 15 Minuten – mindestens. Daß trotz dieser langen Zeitspanne Reanimationsversuche häufig erfolgreich sind, erklärt Michael Krupski so: Durch die starke Unterkühlung werden nur noch die lebenswichtigen Organe versorgt, der Körper bleibt länger funktionstüchtig.
Dem Hochbetrieb rund um Glühwein- und Wurstbuden wird die Feuerwehr an diesem Wochenende mit erhöhtem Personalaufkommen begegnen. 20 Einsatzkräfte sind ständig rund um die Außenalster präsent. Sie können mit drei Eisschlitten Opfer von der schneebedeckten Alsterfläche holen, sie notversorgen oder in umliegende Krankenhäuser bringen.
Machtlos ist die Feuerwehr allerdings gegen die bad vibrations, die Hunderttausende Amüsierwilliger im dicken Eis auslösen können. Im vergangenen Jahr hatte der Gleichschritt der Massen auf der zugefrorenen Alster den Untergrund in gefährliche Schwingungen versetzt und den Abbruch des Eisvergnügens provoziert.
„Solche Frequenzen können massive Brücken zum Einsturz bringen“, erinnert sich ein Feuerwehrmann an das letztjährige Fiasko. Auch dies ein Grund für die Umweltbehörde, diesmal nur halb soviel Buden auf dem glatten Geläuf zuzulassen.
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