Angst vor Stagflation: EZB will Zinsen im Juli erhöhen
Die Inflation droht zu entgleiten: EZB-Direktorin Schnabel spricht offen über eine Leitzinserhöhung im Sommer. Es wäre die erste seit 11 Jahren.
Dass Deutschlands Bierbrauer in diesem Jahr mit Preiserhöhungen von bis zu 30 Prozent kalkulieren, ist in diesem Zusammenhang noch ein vergleichsweise kleines Problem: Wegen der anziehenden Inflation steht die Eurozone kurz vor einer Zinswende. „Jetzt reicht es nicht mehr zu reden, wir müssen handeln“, sagte Isabel Schnabel, Direktorin der Europäischen Zentralbank, dem Handelsblatt.
Eine Zinserhöhung im Juli sei „möglich“. Es wäre die erste seit 2011. Derzeit liegt der geldpolitische Schlüsselzinssatz bei 0,0 Prozent, Banken müssen Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB horten. ExpertInnen rechnen für dieses Jahr mit drei bis vier Zinsschritten nach oben.
Lange hatte sich die Zentralbank gegen Zinserhöhungen gesträubt, um die wackelige Konjunktur nicht abzuwürgen. Doch im April ist die Inflationsrate in der Eurozone auf 7,5 Prozent angezogen – Rekord und weit entfernt von den rund 2 Prozent, die die EZB eigentlich anstrebt. Schnabel sorgt die „Verbreiterung des Inflationsdrucks“. Auch die Kerninflation ist nämlich stark auf 3,5 Prozent angezogen. Dabei werden hier die besonders von der Geldentwertung betroffenen Güter wie Energie und Lebensmittel nicht eingerechnet.
Krieg, Corona, Lieferkettenprobleme
Zu viele Unsicherheiten belasten derzeit die Finanzmärkte: Unmittelbar nach Bekanntgabe des EU-Ölembargos verteuerte sich so der Brennstoff am Mittwoch weiter. Krieg, Corona und Lieferkettenprobleme könnten nach Ansicht der Notenbanker eine Lohn-Preis-Spirale auslösen. Und damit eine Stagflation, also eine fatale Mischung aus hoher Inflation und Rezession. Es stehe außer Zweifel, dass in den anstehenden Lohnrunden hohe Forderungen kommen würden, sagte Schnabel. Noch sei dies zwar nicht der Fall, aber „wir dürfen nicht erst reagieren, wenn eine Lohn-Preis-Spirale bereits in Gang gekommen ist“.
Währungshüter in den USA oder Großbritannien haben bereits reagiert. Es wurde erwartet, dass die US-Notenbank Federal Reserve ihre Leitzinsen am Mittwochabend erneut um 0,5 Prozentpunkte anheben werde.
Übrigens: Aus der Bierpreisdeckelung in Schwäbisch Hall wird wohl doch nichts. Die Stadtverwaltung erteilte dem Votum des Gemeinderats eine Absage: Für die Maßnahme sei kein Geld im Haushalt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“