Angst vor Stagflation: EZB will Zinsen im Juli erhöhen

Die Inflation droht zu entgleiten: EZB-Direktorin Schnabel spricht offen über eine Leitzinserhöhung im Sommer. Es wäre die erste seit 11 Jahren.

Ein Bierglas im Gegenlicht

Trotz hoher Inflation: Bierpreisbremse abgeschmettert Foto: Ralph Peters/imago

BERLIN taz | Schwäbisch Hall hat bereits in der vergangenen Woche gehandelt: Der Gemeinderat der baden-württembergischen Stadt beschloss, den Preis für einen Liter Bier auf vier Euro zu deckeln. Ziel der Bierpreisbremse sei es, „zum Erhalt der Kneipenkultur“ beizutragen, heißt es in dem Antrag. „Durch die Pandemie, hohe Energie- und Rohstoffpreise geschädigte lokale Gastronomen“ sollten mit Zuschüssen aus dem Stadtetat gestützt werden.

Dass Deutschlands Bierbrauer in diesem Jahr mit Preiserhöhungen von bis zu 30 Prozent kalkulieren, ist in diesem Zusammenhang noch ein vergleichsweise kleines Problem: Wegen der anziehenden Inflation steht die Eurozone kurz vor einer Zinswende. „Jetzt reicht es nicht mehr zu reden, wir müssen handeln“, sagte Isabel Schnabel, Direktorin der Europäischen Zentralbank, dem Handelsblatt.

Eine Zinserhöhung im Juli sei „möglich“. Es wäre die erste seit 2011. Derzeit liegt der geldpolitische Schlüsselzinssatz bei 0,0 Prozent, Banken müssen Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB horten. ExpertInnen rechnen für dieses Jahr mit drei bis vier Zinsschritten nach oben.

Lange hatte sich die Zentralbank gegen Zinserhöhungen gesträubt, um die wackelige Konjunktur nicht abzuwürgen. Doch im April ist die Inflationsrate in der Eurozone auf 7,5 Prozent angezogen – Rekord und weit entfernt von den rund 2 Prozent, die die EZB eigentlich anstrebt. Schnabel sorgt die „Verbreiterung des Inflationsdrucks“. Auch die Kerninflation ist nämlich stark auf 3,5 Prozent angezogen. Dabei werden hier die besonders von der Geldentwertung betroffenen Güter wie Energie und Lebensmittel nicht eingerechnet.

Krieg, Corona, Lieferkettenprobleme

Zu viele Unsicherheiten belasten derzeit die Finanzmärkte: Unmittelbar nach Bekanntgabe des EU-Ölembargos verteuerte sich so der Brennstoff am Mittwoch weiter. Krieg, Corona und Lieferkettenprobleme könnten nach Ansicht der Notenbanker eine Lohn-Preis-Spirale auslösen. Und damit eine Stagflation, also eine fatale Mischung aus hoher Inflation und Rezession. Es stehe außer Zweifel, dass in den anstehenden Lohnrunden hohe Forderungen kommen würden, sagte Schnabel. Noch sei dies zwar nicht der Fall, aber „wir dürfen nicht erst reagieren, wenn eine Lohn-Preis-Spirale bereits in Gang gekommen ist“.

Währungshüter in den USA oder Großbritannien haben bereits reagiert. Es wurde erwartet, dass die US-Notenbank Federal Reserve ihre Leitzinsen am Mittwochabend erneut um 0,5 Prozentpunkte anheben werde.

Übrigens: Aus der Bierpreisdeckelung in Schwäbisch Hall wird wohl doch nichts. Die Stadtverwaltung erteilte dem Votum des Gemeinderats eine Absage: Für die Maßnahme sei kein Geld im Haushalt.

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