Angriffe auf russische Region Belgorod: Neonazis mit von der Partie

Moskaufeindliche russische Guerilla-Truppen reklamieren die Angriffe auf russische Ortschaften in der Region Belgorod für sich. Lage bleibt unklar.

Ein Soldat hält ein Schild "Passkontrolle"

Ein Mitglied des russischen Freiwilligenkorps in der Region Belgorod Foto: Russisches Freiwilligenkorps via reuters

BERLIN taz | Die Lage in der russischen Grenzregion Belgorod blieb am Dienstag weiter unübersichtlich. Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, „ukrainische Nationalisten“ seien zurück auf ukrainisches Gebiet gedrängt worden. Mehr als 70 Angreifer seien getötet worden. Die Ukraine wies die Verantwortung für die Vorgänge in der Grenzregion derweil zurück. „Die Ukraine hat nichts damit zu tun“, schrieb Präsidentenberater Mychailo Podoljak bereits am Montag auf Twitter. Es gebe Guerilla-Gruppen in Russland, die aus russischen Bürgern bestünden und von der Ukrai­ne aus agieren. Angaben zum Kampfgeschehen lassen sich teilweise aber nicht unabhängig überprüfen.

Über 80 schwer bewaffnete Angreifer sollen am Montagmorgen von der russisch-ukrainischen Grenze nördlich der ukrainischen Stadt Charkiw kommend mehrere russische Ortschaften besetzt haben. Die Angreifer nennen sich „Freiheit für Russland“ und das „Russische Freiwilligenkorps“ und reklamieren die Angriffe für sich. Ihr Angriff wird von ukrainischen Medien begeistert begleitet.

„Endlich gibt es sie, die Volksrepublik Belgorod. Wie haben wir doch auf diesen Tag gewartet“, sagt Janina Sokolowa, mit 760.000 AbonnentInnen eine der bekanntesten Social-Media-Influencerinnen der Ukraine, in einem Video über den Angriff.

Dann spricht Sokolowa mit „Whiterex“, wie sich einer der Anführer der Aktion nennt und der im bürgerlichen Leben Denis Nikitin heißt. Dieser bestätigt ihr, dass man sich nun als „freies Russland“ und „Legion der Freiheit“ auf dem Gebiet der „Volksrepublik Belgorod“ befinde. Weiter sind fahrende Panzer mit ukrainischen Hoheitszeichen zu sehen, die sich, so das Video, auf russischem Territorium fortbewegten.

Ein weiterer Clip zeigt den Bahnhof der russischen Grenzstadt Belgorod. Zu hören ist nur eines: Sirenengeheul. „Nun, Russen“, sagt Moderatorin Janina Sokolowa, „gefällt euch, was da passiert ist?“

Was in Sokolowas Sendung nicht gesagt wurde: Nikitin, einer der Sprecher des Überfalls auf die russischen Ortschaften, ist ein bekannter russischer Neonazi, der von der Überlegenheit der weißen Rasse überzeugt ist. Er war bereits Anfang März bei einem ähnlichen Überfall auf Russland in Erscheinung getreten. Auf russischer Seite werden diese Angriffe bestätigt. Diese gäben Anlass zu großer Sorge, so Putins Sprecher Dmitri Peskow.

Russland berichtet von Artillerie- und Mörserangriffen auf Ortschaften im Grenzgebiet Belgorod. Russland selbst, so das russische Verteidigungsministerium, sei mit Artillerie und Luftangriffen gegen die Angreifer vorgegangen. Dabei, so der russische Telegram-Kanal Shot, seien 39 Angreifer getötet und einige weitere gefangen genommen worden. Das russische Verteidigungsministerium berichtet von 70 getöteten „Eindringlingen“.

Wie umfangreich die Kämpfe sind, zeigt eine Aussage des Gouverneurs des Gebiets Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow. Acht Dörfer, so Gladkow, habe man evakuieren müssen. Nach Angaben von Gladkow, so berichtet das russische Portal life.ru, sind bei den Kämpfen in Grayvoron drei Menschen verletzt wurden. Im Nachbardorf Glotovo seien zwei Menschen verletzt worden. Im Dorf Samostje sei ein Kindergarten in Brand geraten. Auch das örtliche Verwaltungsgebäude und drei Privathäuser seien getroffen worden.

Die Ukraine weist die Verantwortung für die Vorgänge in der russischen Grenzregion zurück

Der jüngste Überfall auf russische Ortschaften ist nicht der erste dieser Art. Am 6. April, so berichtet das ukrainische Portal nv.ua, sei das „Russische Freiwilligenkorps“ in der Region Brjansk gewesen – bereits zum zweiten Mal. Zuvor waren bewaffnete Kämpfer des „Freiwilligenkorps“ Anfang März in zwei russische Dörfer in der Region Brjansk eingedrungen. Bei diesem Überfall, so berichten russische Quellen, seien auch zwei Zivilisten getötet worden.

Auch da war Denis Nikitin ein Sprecher der Aktion. Nikitin war 2001 nach Deutschland übergesiedelt. 2008 gründete er die rechtsradikale Modemarke „White Rex“. Das ukrai­nische Portal zaborona.com wirft ihm vor, Anhänger einer „White supremacy“-Ideologie zu sein. Inwiefern er tatsächlich federführend bei den Angriffen beteiligt war, ist nicht klar. (mit reuters)

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.