Angriffe auf Medien in Leipzig: Prekäre Pressefreiheit
Bei Soli-Demos für Lina E. kam es zu Gewalt gegen Journalist*innen. Laut Beobachter*innen ging die aber meistens nicht von den Protestierenden aus.
LEIPZIG taz | Dass das Wochenende in Leipzig für Journalist*innen herausfordernd werden könnte, das war bereits im Vorhinein klar. Im Starter-Pack Journalismus sollten Helm, Sani-Pack, feste Schuhe und ein bundeseinheitlicher Presseausweis bestenfalls dabei sein, empfahl Henrik Merker, Vorstandsmitglied des Deutschen Journalisten-Verbandes, schon im Vorfeld auf Twitter.
So kam es in den vergangenen Tagen auch zu diversen Angriffen auf Journalist*innen. Seit der Urteilsverkündung am 31. Mai gegen Lina E. und drei Mitangeklagte kam es auf Demonstrationen in verschiedenen Städten immer wieder zu Ausschreitungen. Das Gericht hatte die 28-Jährige vergangenen Mittwoch unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.
Höhepunkt der Solidaritätsbekundungen sollte die sogenannte „Tag-X“-Demo am 3. Juni in Leipzig werden, die von der Stadt verboten wurde. In Hamburg, Köln, Berlin, Dresden und Leipzig sollen auf den Solidemos für Lina E. insgesamt acht Journalist*innen körperlich angegriffen worden sein, bilanzierte Jörg Reichel, Geschäftsführer der Deutschen Journalisten-Union Berlin-Brandenburg, auf Twitter.
Davon sollen sechs Angriffe durch die Polizei und zwei von Teilnehmenden verübt worden sein. Das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) konnte drei Fälle für den 31. Mai in Leipzig und Köln verifizieren, in denen jedes Mal die Polizei tätlich geworden sei. Die Verifizierung weiterer Fälle zum Wochenende stehe noch aus.
Deutschland rutscht ab
Scharf verurteilte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) Sachsen den Angriff auf einen freien Fotografen, der unter anderem für die Bild-Zeitung arbeitet. Laut Polizei ist der Journalist Freitagabend in Connewitz angegriffen und leicht verletzt worden. „Kolleg*innen anzugreifen, weil offenbar deren Auftraggeber nicht genehm ist – da fehlen uns fast die Worte“, kommentierte der DJV auf Twitter.
Die Pressefreiheit ist in Deutschland durch das Grundgesetz gesichert. Trotzdem rutscht Deutschland in diesem Jahr im Ranking für Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ab, von Platz 16 auf Platz 21. Für 2022 zählte das ECPMF 56 tätliche Angriffe auf Medienschaffende. Ein Grund für Deutschlands Abstieg im Ranking sind auch Angriffe auf Reporter*innen bei Demonstrationen. Diese gingen in den letzten Jahren vor allem von Coronademonstrierenden aus. Im Jahr 2022 waren es laut ECPMF 48 Prozent aller Angriffe.
Leser*innenkommentare
Privatkundig
Zu klären wäre, ob die Bild- Zeitung unter die grundgesetzlich geschützte "unabhängige Pressefreiheit" überhaupt zählt.
Die massiv einseitige politische Einflussnahme einer einzelnen Person, Döpfner, über das Bild-Medium ist eigentlich nicht grundgesetzlich geschützt, und wurde dennoch unter diesem Deckmäntelchen jahrzehnte gebilligt, bzw. von der doch so "unabhängigen Presse" nicht problematisiert.
Jesus
@Privatkundig So ein Quatsch! Ich finde die Bild auch doof und würde mit deren Journalisten nicht sprechen selbst wenn sich jemand für meine Meinung interessieren würde, aber deswegen gilt trotzdem die Pressefreiheit und Gewalt ist sowieso immer falsch!
tomás zerolo
Na klar. Eine Demo, die es nicht geben kann, darüber darf mensch auch nicht berichten. Wo kämen wir sonst hin?
Ist in China auch nicht anders, und die beschweren auch sich nicht.