Angriff auf Zivilisten in Libyen: 44 Tote und 70 Verletzte
Für einen Luftangriff bei Tripolis macht der Präsidentenrat Haftars Truppen verantwortlich. Eine politische Lösung des Konflikts scheint in weiter Ferne.
Der Präsidentschaftsrat machte Haftars Truppen für die Attacke verantwortlich und sprach von einem Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Haftars selbsternannte Libysche Nationalarmee (LNA) hatte am Montag bereits schwere Angriffe auf Tripolis angekündigt. Der Präsidentschaftsrat forderte die Vereinten Nationen auf, die Attacke zu untersuchen.
In dem Lager in Tadschura seien insgesamt mehr als 600 Migranten unterschiedlicher Nationalitäten untergebracht, hieß es aus Regierungskreisen. In dem getroffenen Lagerteil waren rund 120 Migranten aus verschiedenen afrikanischen Ländern untergebracht. Dem in Katar ansässigen Sender Al-Dschasira zufolge sollen sie aus dem Sudan, Eritrea und Somalia stammen.
Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR äußerte sich „extrem besorgt“ angesichts der Berichte über den Luftangriff. „Zivilisten sollten nie als Ziele genommen werden“, twitterte das UNHCR Libyen am frühen Morgen. Videoaufnahmen zeigten schwer verletzte Afrikaner, die nach der Attacke in einem Krankenhaus behandelt werden.
Blutig ausgetragener Machtkampf
Libyen ist eines der wichtigsten Transitländer für Migranten und Flüchtlinge aus Afrika auf dem Weg nach Europa. Laut UNHCR werden in dem Küstenstaat fast 6000 Menschen in Internierungslagern festgehalten, Tausende weitere leben teils versteckt im Land. In die Lager kommen alle, die ohne gültige Aufenthaltspapiere aufgegriffen werden. Dazu gehören auch diejenigen, die die libysche Küstenwache auf Druck der EU bei dem Versuch abfängt, per Boot nach Europa zu gelangen.
In dem ölreichen Land in Nordafrika herrscht acht Jahre nach dem Sturz des Langzeitmachthabers Muammar al-Gaddafi ein blutig ausgetragener Machtkampf, in den sich zahlreiche Länder einmischen. Nato-Staaten hatten dort 2011 unter einem UN-Mandat, die Zivilbevölkerung zu schützen, in den Bürgerkrieg eingegriffen und zum Sturz Gaddafis beigetragen. Mit Gaddafis Sturz brach auch die staatliche Ordnung zusammen. Regionale Milizen, Banden und Islamisten wie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nutzten das aus.
Mittlerweile beherrscht General Haftar weite Teile des Landes. Er wird vom libyschen Parlament im Osten des Landes unterstützt. Es beansprucht die Macht ebenso für sich wie die in Tripolis ansässige Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch. Diese wird von den UN unterstützt, hat aber kaum direkte Kontrolle über die Hauptstadt hinaus und stützt sich auf regionale Milizen. Die Aussichten auf eine politische Lösung des Konflikts stehen derzeit sehr schlecht.
Haftar hatte seine Macht zuletzt auch mit Drohgebärden gegen die Türkei demonstriert, die die Sarradsch-Regierung unterstützt. Haftars Truppen hatten türkische Schiffe und Flugzeuge zu „feindlichen Zielen“ erklärt, zudem kamen sechs türkische Staatsbürger vorübergehend in die Gewalt von Haftars Truppen. Nach scharfen Drohungen aus Ankara kamen sie wieder frei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja