Angriff auf Zivilisten in Libyen: 44 Tote und 70 Verletzte

Für einen Luftangriff bei Tripolis macht der Präsidentenrat Haftars Truppen verantwortlich. Eine politische Lösung des Konflikts scheint in weiter Ferne.

Ein Kämpfer in Camouflagehemd und schwarzer Schussweste steht neben einem dunkelgrünen Container und zeigt in die Luft.

Fingerzeig in die Luft – daher kam der schwere Angriff auf das Geflüchtetenlager in Tadschura Foto: dpa

TRIPOLIS dpa | Bei einem mutmaßlichen Luftangriff auf ein mit afrikanischen Migranten überfülltes Lager nahe der libyschen Hauptstadt Tripolis sind 44 Menschen getötet und mehr als 70 weitere verletzt worden. Die Attacke in der Nacht zum Mittwoch habe in Tadschura östlich von Tripolis stattgefunden, hieß es aus Regierungskreisen. Es ist der tödlichste Angriff seit der im April angeordneten Offensive des Generals Chalifa Haftar auf Tripolis.

Der Präsidentschaftsrat machte Haftars Truppen für die Attacke verantwortlich und sprach von einem Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Haftars selbsternannte Libysche Nationalarmee (LNA) hatte am Montag bereits schwere Angriffe auf Tripolis angekündigt. Der Präsidentschaftsrat forderte die Vereinten Nationen auf, die Attacke zu untersuchen.

In dem Lager in Tadschura seien insgesamt mehr als 600 Migranten unterschiedlicher Nationalitäten untergebracht, hieß es aus Regierungskreisen. In dem getroffenen Lagerteil waren rund 120 Migranten aus verschiedenen afrikanischen Ländern untergebracht. Dem in Katar ansässigen Sender Al-Dschasira zufolge sollen sie aus dem Sudan, Eritrea und Somalia stammen.

Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR äußerte sich „extrem besorgt“ angesichts der Berichte über den Luftangriff. „Zivilisten sollten nie als Ziele genommen werden“, twitterte das UNHCR Libyen am frühen Morgen. Videoaufnahmen zeigten schwer verletzte Afrikaner, die nach der Attacke in einem Krankenhaus behandelt werden.

Blutig ausgetragener Machtkampf

Libyen ist eines der wichtigsten Transitländer für Migranten und Flüchtlinge aus Afrika auf dem Weg nach Europa. Laut UNHCR werden in dem Küstenstaat fast 6000 Menschen in Internierungslagern festgehalten, Tausende weitere leben teils versteckt im Land. In die Lager kommen alle, die ohne gültige Aufenthaltspapiere aufgegriffen werden. Dazu gehören auch diejenigen, die die libysche Küstenwache auf Druck der EU bei dem Versuch abfängt, per Boot nach Europa zu gelangen.

In dem ölreichen Land in Nordafrika herrscht acht Jahre nach dem Sturz des Langzeitmachthabers Muammar al-Gaddafi ein blutig ausgetragener Machtkampf, in den sich zahlreiche Länder einmischen. Nato-Staaten hatten dort 2011 unter einem UN-Mandat, die Zivilbevölkerung zu schützen, in den Bürgerkrieg eingegriffen und zum Sturz Gaddafis beigetragen. Mit Gaddafis Sturz brach auch die staatliche Ordnung zusammen. Regionale Milizen, Banden und Islamisten wie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nutzten das aus.

Mittlerweile beherrscht General Haftar weite Teile des Landes. Er wird vom libyschen Parlament im Osten des Landes unterstützt. Es beansprucht die Macht ebenso für sich wie die in Tripolis ansässige Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch. Diese wird von den UN unterstützt, hat aber kaum direkte Kontrolle über die Hauptstadt hinaus und stützt sich auf regionale Milizen. Die Aussichten auf eine politische Lösung des Konflikts stehen derzeit sehr schlecht.

Haftar hatte seine Macht zuletzt auch mit Drohgebärden gegen die Türkei demonstriert, die die Sarradsch-Regierung unterstützt. Haftars Truppen hatten türkische Schiffe und Flugzeuge zu „feindlichen Zielen“ erklärt, zudem kamen sechs türkische Staatsbürger vorübergehend in die Gewalt von Haftars Truppen. Nach scharfen Drohungen aus Ankara kamen sie wieder frei.

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