piwik no script img

Angriff auf Frauenrechte in SpanienZwangsberatung über ein nicht existierendes Syndrom

Die konservative Partido Popular beschließt mit der rechtsextremen Vox für Madrid eine Zwangsberatung über ein angebliches „Post-Abtreibungssyndrom“.

Will gegen die Zwangsberatung gerichtlich vorgehen: die spanische Gesundheitsministerin Mónica García (Más Madrid) Foto: Alejandro Martínez Vélez/imago

Madrid taz | Die Stadt Madrid will eine Zwangsberatung für Frauen einführen, die einen Schwangerschaftsabbruch planen. Dabei geht es nicht um Möglichkeiten in schwierigen Situationen ein Kind zu bekommen, sondern um Frauen vor einem angeblichen schweren „Post-Abtreibungssyndrom“ zu warnen und sie so vom Eingriff abzuhalten.

Die Maßnahme wurde von der rechtsextremen VOX im Stadtrat vorgelegt und dank der Stimmen der mit absoluter Mehrheit regierenden, rechtskonservativen Partido Popular (PP) von Bürgermeister José Luis Martínez Almeida angenommen.

Abtreibung könne zu „Depression, tiefem Schuldgefühl, Anorexie und Bulimie“ sowie „Alkohol- und Drogenkonsum (…), Selbstmordgedanken (…) und einem Anstieg von Krebserkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane“ führen. Es gelte „das Leben ungeborener Babys zu schützen“ und zwar vor der Frauenbewegung, denn „Abtreibung ist ein großes Geschäft für die Ideologie, die ihn unterstützt und fördert: den Feminismus“, heißt es weiter.

Der Name Post-Abtreibungssyndrom leite sich „vom Post-Vietnam-Syndrom ab (…) mit dem Unterschied, dass es zusätzlich noch durch das Schweigen und die Ausgrenzung der Krankheit, die durch eine Abtreibung entsteht, erschwert wird“, hält der Text eine überraschende Erklärung bereit. Die Stadtverwaltung wird angehalten künftig „verpflichtend, schriftlich und mündlich“ darüber aufzuklären, so der Beschluss.

Das Post-Abtreibungssyndrom ist in der Medizin unbekannt

Die kommunale Opposition und das Gesundheitsministerium laufen Sturm. Denn ein solches Syndrom ist in der Medizin nicht bekannt. Auch dafür hat VOX eine Erklärung, die an Verschwörungstheorie grenzt. „Das Post-Abtreibungssyndrom wird vor allem in Spanien bewusst verschwiegen. Gesellschaft und Behörden ignorieren und verdrängen dieses Problem“, heißt es in dem angenommen Text.

Wenn dieses Syndrom von der Wissenschaft nicht anerkannt wird und aus den „Handbüchern der Psychiatrie“ verschwunden ist, sei dies „auf politischen Druck und ideologische Interessen zurückzuführen.“

Gesundheitsministerin Monica García von Madrids größter Oppositionspartei, der linksalternativen Más Madrid, hält dagegen: „Das einzige Syndrom, das derzeit existiert, ist der Rechtsruck der Partido Popular mit ihrem Hass, ihrer gezielten Bekämpfung von Frauenrechten und dem Negationismus.“

Die PP würde sich immer mehr VOX annähern. Für García sowie für Más Madrid und die Sozialisten im Stadtrat ist der Beschluss ganz einfach ein weiterer Versuch der Rechten, gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frauen vorzugehen.

Für die PP ist Abtreibung ein „Versagen der Gesellschaft“

Die Sprecherin des Bürgermeisteramtes von Almeida verteidigt den Beschluss. „Ich glaube, dass Informationen nie ein Problem darstellen. Diejenigen, die erklären müssen, warum sie Informationen für ein Problem halten, sind diejenigen, die sich gegen die Information für Frauen aussprechen.“

Bürgermeister Almeida bekommt von seiner Partei sowohl auf nationaler als auch auf regionaler Ebene Rückendeckung. Für die PP ist Schwangerschaftsabbruch „kein Recht der Frauen, sondern ein Versagen der Gesellschaft“. Das Gesundheitsministerium sowie die kommunale Opposition prüfen jetzt, inwieweit sie gegen den Beschluss zur Zwangsberatung gerichtlich vorgehen können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare