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Angelina Jolie als Maria CallasJetzt erzählt die tote Opernsängerin selbst

Der Regisseur Pablo Larraín zeichnet das Leben der Callas in seinem Film „Maria“ vom Ende nach. Angelina Jolie spielt die Diva – und doch wieder nicht.

Wie viel bleibt von Maria Callas (gespielt von Angelina Jolie) privat? Foto: Studiocanal

Eine Diva spielt eine Diva – das ist erst mal vielversprechend und kann super laufen, es kann aber auch schiefgehen. In „Maria“ spielt Angelina Jolie die Opernlegende Maria Callas und das Ergebnis liegt irgendwo zwischen super und schief.

Irgendwo dazwischen ist allerdings nichts, womit sich Leben und Bedeutung der 1923 in New York als Tochter griechischer Einwanderer geborenen Sopranistin beschreiben ließe. Das Leben der einmalig ausdrucksstarken Sängerin, genannt „die Göttliche“, war gezeichnet von Extremen, alles an ihr war Leidenschaft und Hingabe, in erster Linie für die Musik, die Oper, den Bühnenauftritt, die Bewunderung.

Die Callas war in den 1950er und 1960er Jahren die Operndiva schlechthin, aber auch aufgrund ihrer Eigenwilligkeit, Exzentrik, Eleganz, Schönheit und ihrem Liebesleben Objekt der Begierde von Klatschreportern und einer sie vergötternden Öffentlichkeit.

Der Film

„Maria“. Regie: Pablo Larraín. Mit Angelina Jolie, Pierfrancesco Favino u.a. Deutschland/Italien USA 2024, 124 Min.

Als die Stimme der Sängerin versiegte und damit alles hinfällig wurde, entzog sich die bewunderte Ikone der Öffentlichkeit und lebte die letzten Jahre alleine in ihrem Pariser Apartment. Doch selbst ihr Tod wurde von denen, die sie als Sterbende sahen, mit einer Opernszene assoziiert: „Es war das Bild von La Traviata“, schrieb der Guardian einen Tag nach Callas’ Tod, am 17. September 1977.

Herzinfarkt mit 53 Jahren

Mit der Kurtisane hatte die Callas wenig gemein, außer dass ihre Interpretation von Verdis Oper als meisterhaft verehrt wird und sie wie die Kurtisane zu Hause in ihrem Bett starb, mit gerade mal 53 Jahren an einem Herzinfarkt.

Ob der durch den übermäßigen Konsum von Schlafmitteln und anderen Psychopharmaka selbst herbeigeführt oder durch eine falsche Medikation durch ihren Arzt ausgelöst wurde, darüber wird bis heute spekuliert.

Der chilenische Regisseur Pablo Larraín hat sich für seinen Film „Maria“ entschieden, das Leben der Callas von eben diesem Ende aus zu erzählen. Die Rolle der Erzählerin überlässt er der Diva selbst.

In der letzten Woche ihres Lebens sitzt sie auf den Fauteuils ihrer pompösen Wohnung, lässt ihren alten, an Rückenschmerzen leidenden Butler ständig ihren schweren Flügel von einer Ecke in die andere schieben, singt ihren Angestellten vor, spielt mit ihnen Karten, versteckt die Tabletten vor ihnen und unterhält sich mit einem Reporter, der eine Dokumentation über ihr Leben drehen will: „The Last Days“. Der Reporter trägt denselben Namen wie eins der Medikamente, die sie sich in Massen reinpfeift: Mandrax, ein Hypnotikum.

Eingebildete Besucher

„Ab heute entscheide ich, was real ist und was nicht“, antwortet Maria Callas, nachdem ihr Butler sie gefragt hat, ob der Reporter, dessen Besuch sie angekündigt hat, echt sei oder ob sie sich den wie so vieles andere in letzter Zeit nur einbilde. Natürlich bildet sich die Callas diesen Reporter nur ein, denn vor den echten Journalisten, die sie bedrängen, endlich öffentlich zuzugeben, dass sie nie wieder singen wird, flieht sie.

„Über mich wurde so viel geschrieben“, sagt sie dem eingebildeten Reporter ins Mikrofon, „jetzt erzähle ich“. Sie schreibe ihre Autobiografie, „Das menschliche Lied“ solle sie heißen, aber sie benutze dafür keinen Stift, nur ihre Einbildung.

Wenig bis nichts ist davon bekannt, wie die Callas ihre letzten sieben Tage verbracht hat, insofern ist die Rahmenhandlung des Films komplett fiktiv

Nachdem ihr Leben bisher von anderen bestimmt worden sei – erst habe die Mutter sie gezwungen zu singen, dann ihr Geliebter Aristoteles Onassis, das nicht mehr zu tun, und nun will der Arzt ihr vorschreiben, was sie zu tun hat – habe sie beschlossen, endlich selbst die Kontrolle über ihr Leben und dessen Ende zu übernehmen.

Die Grenzen von Realität und Fiktion sind im Film „Maria“ einerseits ständig Thema, andererseits sind sie ihm ziemlich egal. Wenig bis nichts ist davon bekannt, wie die Callas ihre letzten sieben Tage verbracht hat, insofern ist die Rahmenhandlung des Films komplett fiktiv. Alles, was der Film ansonsten in Rückblicken über das Leben der dramatischen Performerin erzählt, ist hingegen vielfach erzählt.

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Im Interview mit der taz betont Pablo Larraín, dass er keinen Dokumentarfilm habe machen wollen, dass „Maria“ eine Fiktion ist, die sich historischer Momente bedient. Ihm sei es wichtig gewesen, die Schauspielerin Angelina Jolie „ernst zu nehmen“ und dazu gehöre eben auch, sie selbst singen und berühmte Auftritte der Callas nachspielen zu lassen.

Rätselhaft bleibt trotzdem, warum die Jolie ein halbes Jahr lang Gesangsunterricht nehmen musste, um ausgerechnet die Callas zu imitieren. In Interviews sagt Jolie, dass sie Angst davor gehabt hatte, der Callas nicht gerecht zu werden.

Nun, wie vermessen wäre es, zu glauben, jemand, der nie in seinem Leben Opern gesungen hat, könne ausgerechnet der Stimme aller Stimmen gerecht werden? Das kann ihr natürlich nicht gelingen und deswegen wirken die Szenen in „Maria“, in denen Jolie die großen Arien von Puccini bis Verdi „singt“, ziemlich befremdlich, bewegt sie doch im Wesentlichen ihre großen Lippen.

Immer dann, wenn sie den Mund aufmacht, hören wir aber angeblich die Jolie wirklich singen, gemischt mit Originalaufnahmen der Callas. Was das Ganze soll? Erschließt sich nicht.

„Casta Diva“ im Morgenrock

Es gibt nur eine Szene, in der die Idee, die Schauspielerin singen zu lassen, wirklich funktioniert: Die Diva steht im Morgenrock vor ihrer Angestellten Bruna in der Küche ihrer Wohnung und singt ihr schief und scheppernd, an den Tönen und der Intensität scheiternd die Arie „Casta Diva“ aus Bellinis Oper „Norma“ vor.

Begleitet wird ihr Gesang von einem prasselnden Brutzelgeräusch, das vom Omelette stammt, das Bruna währenddessen in der Pfanne brät. Ein bisschen Slapstick, ja, aber eine Soundkulisse, die dem tragikomischen Ende einer Operndiva einen pointierteren Ausdruck verschafft als die restlichen zwei Stunden Film.

Es dauert eine ganze Weile, bis das Fremdeln mit der Besetzung der zweistündigen „Maria“ aufhört. Irgendwann aber beginnt das Loslassen und man guckt Angelina Jolie nicht länger dabei zu, wie sie versucht, die Callas zu sein und dabei scheitert.

Es beginnt der Moment, an dem man einer beeindruckenden Schauspielerin folgt, wie sie jemanden darstellt, der seine Lebensverletzungen – von der Kindheit unter einer strengen Mutter über die unglückliche Liebe und vor allem ihre Abhängigkeit von der Bewunderung des Publikums – Revue passieren lässt.

Jolie macht das mit einem intensiven Minenspiel, das die Theatralik der Callas imitiert und wie für ein ewiges Bildnis dramatischen Leidens von der Kamera festgehalten wird.

Kindheit der Callas

Während Angelina Jolies Callas-Werdung immer besser wird, wird das, was erzählt wird, immer dünner. Dazu kommt eine verstörende Szene, in der in Schwarz-Weiß ein kurzer Spot auf die Kindheit der Callas gelegt wird. Zu sehen ist, wie die Teenager-Maria und ihre Schwester in Griechenland vor zwei SS-Soldaten singen.

Ihre Mutter hatte sie dazu gezwungen, um sie dann für 100 Drachmen als Dirnen zu verkaufen. Als Maria auf dem Bett sitzend beginnt, sich auszuziehen, stoppt sie der SS-Mann: „Nein, nicht jetzt. Sing!“ Minutenlang sehen wir dann das Gesicht des Nazis, das durch den Gesang friedlich wie ein Unschuldsengel wird.

Auf die Frage, wieso er einen lieblich wirkenden Nazi zeigt, ohne wenigstens anzudeuten, welche Greuel die SS in Griechenland anrichtete, antwortet Larraín im Gespräch mit der taz, er habe zeigen wollen, dass auch Nazis Liebhaber einer guten Stimme gewesen sein konnten. Und dass die Szene doch grausam genug sei.

Nichts ist dem Zufall überlassen

Oper ist Performance, sie lebt von dem Moment, war das Credo von Maria Callas. Auch Angelina Jolie sagt das in dem Film mehrmals, und je häufiger sie das wiederholt, umso statischer wirkt der Film, der nichts dem Zufall überlässt, der von der Mimik bis zum Kleiderständer alles sorgfältig in Szene setzt. Das wiederum ist alles sehr schön anzuschauen, immer wieder erschafft der Film opulente Bühnenbilder, so beispielsweise, wenn aus Passanten in Paris plötzlich ein Verdi singender Chor wird.

Doch so intensiv die Bilder, so seltsam leer bleibt die von Jolie gespielte Callas. Der Film schafft sogar eher Distanz von der Legende als eine Intimität mit ihr, obwohl er doch vorgibt, ganz bei ihr, ja sogar in ihrem Kopf zu sein, um die geheimen Gedanken eines erlöschenden Weltstars zu Gehör zu bringen.

„Mein Leben ist die Oper, ohne sie bin ich nichts“, sagt Angelina Jolie alias Maria Callas. Die Botschaft des Regisseurs Larraín scheint zu sein: Holt man die Diva von der Bühne, bleibt keine Person, kein Leben zurück. Das Mysteriöse der Göttlichen bleibt also weiter unantastbar.

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