Angela Davis zu Besuch in Berlin: Oranienplatz als „Zentrum der Welt“

Vor 10 Jahren begann die Besetzung der Kreuzberger Platzes durch die Flüchtlingsbewegung. Zum Jubiläum kommt US-Bürgerrechtsikone Angela Davis vorbei.

Angela Davis (2.v.r.) mit den O-Platz-AktivistInnen Adam Baher, Napuli Langa, Jennifer Kamau Foto: s. Memarnia

BERLIN taz | Vor dem blau-weißen Zirkuszelt am Kreuzberger Oranienplatz herrscht Gedränge: Ein paar Dutzend Ak­ti­vis­t*in­nen und Jour­na­lis­t*in­nen sind am Donnerstagmorgen zur Pressekonferenz „Oplatz wird 10“ gekommen. Die Veranstalter selbst scheinen Zweifel zu haben, ob der Andrang dem Thema geschuldet ist: Vor genau zehn Jahren, am 6. Oktober 2012, haben 100 Flüchtlinge nach einem langen Marsch durch Deutschland den Platz besetzt und von dort aus eineinhalb Jahre für ihre flüchtlingspolitischen Forderungen gekämpft.

„Ihr seid wegen Angela Davis hier“, raunzt Napuli Langa, eine der führenden O-Platz-Aktivist*innen von einst, „die Medien“ an. Journalisten würden sich doch gar nicht für die Situation von Geflüchteten interessieren, schimpft sie. Davis hingegen, die Schwarze Aktivistin und Bürgerrechtsikone aus den USA, sei wegen der Geflüchteten gekommen. „Warum seid ihr nicht wie sie?“, ruft sie donnernd, begleitet vom Applaus der aktivistischen Mehrheit im Zelt.

Gewiss war genau dies ein Zweck der Einladung von Davis: mediale Aufmerksamkeit generieren für die Anliegen der Flüchtlingsbewegung. Die sind weiter unerfüllt und so dieselben wie damals: keine Abschiebungen, keine „Lager“ (Flüchtlingsheime), dafür Arbeitsmöglichkeiten. Im Wesentlichen, da sind sich Davis und die Ak­ti­vis­t*in­nen vom Oranienplatz einig, hat sich die Lage von Geflüchteten in Deutschland und anderswo sowie von Schwarzen Menschen nicht verbessert. „In gewisser Weise“, sagt Davis, „ist der Oranienplatz das Zentrum der Welt, denn Rassismus ist ein globales Problem.“

Der erste Teil des Satzes mag manchem übertrieben klingen. Doch illustriert er gut, warum die Veranstalterinnen vom International Women Space Davis wohl auch eingeladen haben: Weil sie es vermag, die Kämpfe von Schwarzen, Frauen, „trans und queeren Menschen“, wie sie sagt, und anderen zu verbinden – zu einem globalen Kampf gegen den „racial capitalism“. Davis schafft es zudem, der gebannt lauschenden Zuhörerschaft – darunter sind auch viele junge Menschen –, Mut zu machen.

Freiheit ist ein permanenter Kampf

Man dürfe nicht aufgeben, sagt sie – auch wenn sie selbst manches Mal in ihrem langen Leben schon geglaubt habe, dass nichts besser werde. „Freedom is a constant struggle“, zitiert die 78-Jährige ihren eigenen Buchtitel. Immerhin werde man klüger im Verlauf der Kämpfe: So habe sie etwa gelernt, dass es nicht allein um die Freiheit Schwarzer Männer gehe sondern auch um die Schwarzer Frauen, Schwarzer trans Frauen und andere marginalisierter Menschen. So veränderten die Kämpfe das „Terrain“.

Und manches brauche einfach seine Zeit: „Manchmal ist Wiederholung notwendig, auch wenn dies Generationen dauert“, so Davis. Das habe sie nach der Ermordung des Schwarzen George Floyd verstanden, als mehr weiße Menschen auf die Straßen gegangen seien als je zuvor. Weil ihnen endlich ein Licht aufgegangen sei, dass Rassismus strukturell bedingt sei.

Befeuert von Davis’ Strahlkraft geben auch die Oranienplatz-Leute der „jungen Generation“ Ratschläge: „Werdet laut, geht auf die Straße“, sagt Adam Baher, einer der früheren Anführer. Sonst werde man nicht gehört von Politikern und „denen, die Privilegien haben“.

P.S. Wer Angela Davis selbst hören will, muss sich beeilen. Um 18 Uhr soll sie am Donnerstag, 6.10., erneut auf dem Oranienplatz auftreten.

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