: Anfassen erlaubt
■ Erfrischend unmuseal: Klangskulpturen der Gebrüder Baschet
„Alles begann“, daran erinnerte der Musikwissenschaftler und Musiker Peter Niklas Wilson zur Ausstellungseröffnung, „mit einer aufblasbaren Gitarre“: François Baschet hatte zu Beginn der 50er Jahre eine Weltreise geplant und sich ausgerechnet: Als Gitarristen würden ihn die Leute bereitwillig an ihren Tisch bitten, auf musikalische Unterhaltung hoffend – das dazugehörige Instrument blieb auf Reisen aber reichlich unpraktisch. Baschets Ausweg war die eingangs erwähnte, platzsparende wie spielbare Erfindung, sein erstes selbst gebautes Musikinstrument. Neben einem Studium der Bildhauerei beschäftigte sich Baschet mit Fragen der Akustik und entwickelte, mit seinem Bruder Bernard, weitere eigene Instrumente, die immer weniger mit bereits vorhandenen „normalen“ Musikalien zu tun hatten.
Eine ganze Reihe dieser Klang-skulpturen, „Sculptures sonores“, der Gebrüder Baschet sind bis zum 15. Oktober in Hamburg zu betrachten und – eigentlich noch wichtiger – zu benutzen: in einer Ausstellung, die erfrischend unmuseal daherkommt und das Anfassen der Exponate, von einigen besonders sensiblen abgesehen, ausdrücklich vorsieht. Gebilde aus Metall und Glas sind da gruppiert, mit bunt lackierten Trichtern, zerrspiegelartigen großen Blechsegeln oder dünnen Insektenextremitäten, denen feuchte Finger, Violinenbögen oder Schlegel merkwürdige Klangereignisse entlocken. In dieser Fremdartigkeit, erzeugt von gelegentlich wie umfunktioniert wirkenden Gegenständen, die andernorts unauffällige Funktionsträger in irgendeiner Maschinerie gewesen sein mögen, liegt ein Moment künstlerischer Demokratisierung: „Neue Instrumente, vor denen zunächst alle Spieler ,Laien' sind, die nicht mit dem ehrfurchtgebietenden Ballast abendländischer Interpretenkultur und Virtuositäts-Standards beladen sind“ (Peter Niklas Wilson).
Folgerichtig sieht das Ausstellungsprogramm nicht nur durchaus virtuose Demonstrationen durch Baschet-Mitarbeiter und -Weiterdenker, sondern auch zwei Workshops und ein Kinderkonzert vor, für die Ausstellungsinitiator und KlangHaus-Betreiber Ferdinand Försch verantwortlich zeichnet. Die Gebrüder Baschet selbst verfolgen mit ihren Objekten schon lange eine Art niedrigschwelliger musikalischer Pädagogik: so konzipierten sie ein vierzehnteiliges Set von Klanginstrumenten, das heute vielerorts an Schulen benutzt wird, sowie dazu passende pädagogische Programme nicht zuletzt für musikalisch nicht oder wenig vorgebildete Kinder, oder entwickelten spezielle Instrumente für autistische und taube Kinder. Schließlich aber wendet sich der Wunsch der Baschets, Menschen mit Augenzwinkern und einer gewissen Respektlosigkeit an das Geräuscherzeugen (um nicht zu sagen: Musizieren) heranzuführen wohl an jeden und jede, der/die sich darauf einlässt. Alexander Diehl
bis zum 15. Oktober tägl. außer montags, 13 - 18 Uhr, Barlach Halle K, Klosterwall 13. Das Programm sowie weitere Infos unter Tel.73671793
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