piwik no script img

Fragwürdiger BundestagskandidatAfD Diepholz nominiert Reichsbürger-Sympathisanten

Mit der Aufstellung von Andreas Iloff konterkariert der Kreisverband die Strategie der Bundespartei. Die rät von besonders kontroversen Kandidaten ab.

Feuchter Traum von Reichsbürgern: Reichsflagge Foto: Robert Michael/dpa

D er AfD-Kreisverband Diepholz hat einen Hufschmied, der den Reichsbürgern nahesteht, zu seinem Direktkandidaten für den Bundestag nominiert. Andreas Iloff ist zwar schon AfD-Vorsitzender in Diepholz und hat ein paar Jahre für einen AfD-Bundestagsabgeordneten gearbeitet. Doch mit seiner einstimmigen Nominierung zum Bundestagskandidaten positioniert sich der Kreisverband noch einmal deutlich rechts und konterkariert die Strategie des AfD-Bundesverbandes, auf besonders kontroverse Kandidaten zu verzichten.

In einem Entwurf für ein Strategiepapier zum Bundestagswahlkampf 2025 empfiehlt der AfD-Bundesvorstand, dass bei der Personalauswahl darauf geachtet werden soll, dem politischen Gegner und „nicht alternativen“ Medien „keine unnötigen Angriffsflächen für Skandale“ zu bieten. Denn im Vorfeld seien auch „Lügen und unsaubere Praktiken“ von den Ge­g­ne­r*in­nen zu erwarten, heißt es in dem Entwurf, der der taz vorliegt.

Der 58-jährige Iloff bietet reichlich Angriffsfläche. Dem niedersächsischen Verfassungsschutz ist er seit Ende der 1990er-Jahre bekannt. Lang schon war er im vorparlamentarischen Raum aktiv. „Adrich“ genannt, gab er sich als Gemeinschaftssprecher des Deutschen Bundes aus, der sich zum Ziel gesetzt hat, das Deutsche Reich wiedererstehen zu lassen.

2014 verschickte Adrich Einladungen zu einem Treffen des Bundes. Iloff, der sich auch „Aue-Schmied“ nennt, war darauf in Schmiede-Kluft zu sehen. „Mit großer Freude“ lädt er am „18. Gilbhard 2014“ zur Bundesversammlung ein. Es wird darum gebeten, zu dem Treffen im „weißen Oberhemd/Bundesbinder, Tracht- und Zunftkleidung“ zu erscheinen.

Adrich lud mit großer Freude am „18. Gilbhard 2024“ zur Bundesversammlung ein

Dazu die Ansage: „Telefone und Kameras verbleiben im Auto“. Offenbar eine Sicherheitsmaßnahme, um keine Interna an die Öffentlichkeit dringen zu lassen.

Der Bund will sich von „der Masse, der Gleichheit“ abgrenzen und als „Keimzelle unseres Wiedererblühens“ agieren. Nach Erkenntnissen des Bayerischen Verfassungsschutzes wurde er am 22. Mai 1993 maßgeblich von Mitgliedern der rechtsextremen Deutschen Liga für Volk und Heimat im bayerischen Bodenkirchen gegründet. 1997 warb er in der extrem rechten Zeitschrift Nation Europa und 1999 in der neu-rechten Jungen Freiheit um neue Mitglieder.

Das bayerische Landesamt erwähnte den Bund zuletzt 1999: In dessen Mitgliederzeitung Burgpost würden „die Bundesrepublik Deutschland und ihre Vertreter verunglimpft, das NS-Regime verherrlicht, NS-Verbrechen relativiert und rassistisches Gedankengut vertreten“.

In einem „Manifest der Deutschen“ forderten die Mitglieder, „unsere Identität als Volk“ zu bewahren, „eine gerechte Beurteilung unserer Väter- und Großvätergeneration“ und eine „Verfassung, die von dem deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen“ werden solle. Diese Positionen legen nahe, den Bund der Reichs­ideologie-Bewegung zuzuordnen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Das ist kein Standard-Reichsbürger (also die deutsche Version der US-"Sovereign Citizens"), sondern einer aus der alten NSDAP/Großdeutschland-Revival-Szene.

    Hat man selten heutzutage. Die "typische" Reichsbürger unserer Zeit ist ein bräunlicher Esoteriker, der sich mit seinesgleichen zusammenrottet, um ein heruntergekommenes Landgut in Brandenburg oä zu übernehmen und zu einem "Kultzentrum" mit idiosynkratisch schwurbelig-staatsfeindlicher Ausrichtung zu machen. Weil diese Leute selten eine kohärente Ideologie haben, aber dafür sehr viel Geltungsdrang, sind ihre Gruppen auch untereinander sehr zerstritten und intern instabil.

    Iloff hingegen ist Führungskader eines Netzwerks, das stramm nach dem NS-Führerprinzip konzipiert ist, und die "Mainstream-Reichsbürgerbewegung" eher als Rekrutierungspool nutzt. Das kaum kaschierte Ziel ist die Wiedererrichtung eines "Großdeutschen Reichs" - also zumindest die Annexion Österreichs und der Deutschschweiz. Und im Gegensatz zu dem ideologisch-esoterischen Staatsbürgerkonzept der typischen Reichsbürger (und ähnlicher Gruppen wie Megres "Anastasia") ist Iloffs das völkisch-biologistische des NS (und Höckes).