Andreas Speit Der rechte Rand: Wie eine rechte Kneipe in Neumünster überlebt
Das Zentrum für Rechtsextreme liegt nahe des Zentrums von Neumünster. Zu Fuß sind es keine zehn Minuten zur „Titanic“. „Die Kneipe ist schon lange nicht mehr bloß eine Kneipe“, sagt ein Sprecher des Aktionsbündnis „Titanic Versenken – Nazikneipen dichtmachen!“. Die Gaststätte sei längst der neue Treff- und Versammlungspunkt für die rechtsextreme Szene im Norden geworden.
In der viertgrößten Stadt Schleswig-Holsteins werde die Situation mit den Rechtsextremen aber heruntergespielt, so der Sprecher. Schnell hieß es von Seiten der Stadt, dass der Wirt eben ein paar einschlägige Gäste hätte. Er müsse ja auch irgendwie über die Runden kommen. Geschäft ist Geschäft, Bier ist Bier und Schnaps ist Schnaps.
Einschätzungen und Aussagen, die das Aktionsbündnis nicht mehr unwidersprochen stehen lassen will. Spätestens seit der letzten Kommunalwahl am 6. Mai dieses Jahres, so der Sprecher, sei es nun für jeden sichtbar: Der Wirt der „Titanic“, Horst Micheel, ist eine feste Größe in der Szene, er sitzt für die NPD mit im Stadtrat.
Schon vor über zehn Jahren reihte sich Micheel bei Aufmärschen in Neumünster, Lübeck und Hamburg ein. Bei der NPD war er früh im Kreisverband verankert, trat 2013 für die Partei zur Kommunalwahl an. Über die Theke kann der NPD-Kader seine Kneipengäste ganz nebenbei politisch beeinflussen, sagt der Sprecher, zudem würde er die Freien Kräfte an die NPD heranführen. Seine Stammgäste: Aktivisten der „Sturmabteilung Ortsgruppe Faldera“.
In der „Titanic“ kämen die Rechten verschiedenster Strukturen ganz einfach zusammen. Seit Jahren gibt es die Gaststätte, die 2010 in größere Räume in der Wippendorfstraße umzog. Ihre Bedeutung als Szenetreff auch für Rocker wuchs nach der Schließung des „Club 88 – the very last resort“ Seither bekam die „Titanic“ immer mehr Zulauf.
Dass Aktionsbündnis spricht von der „Titanic“ auch als einem Zentrum für Rechtsextreme, weil in den Räumen immer wieder NPD-Veranstaltungen stattfanden – von Wahlpartys bis Landesvorstandsitzungen. Rechtsrockkonzerte wurden hier ebenso veranstaltet. Einer der Stargäste: Michael Regner alias „Lunikoff“ von der verbotenen Band „Landser“.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland
In den Räumen bietet der Wirt und Ratsherr zudem Dart-Turniere, WM-Übertragungen oder Discoabende an, für die mit bunten Plakaten geworben wird. Sein Konzept nennt Micheel selbst „unpolitische Erlebnisgastronomie“.
Am Samstag will das Aktionsbündnis mit einer Demonstration dem Wirt die „rote Karte“ zeigen.
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