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Andrang auf Islamunterricht

Die Islamische Föderation will mehr als tausend Kindern an 16 Schulen ihre Sicht auf den Koran beibringen. Erstmals bieten auch die Aleviten Religionsunterricht an. Aber nur für 36 Schüler

von SABINE AM ORDE

Die Islamische Föderation wird im neuen Schuljahr ihren Religionsunterricht an den hiesigen Grundschulen drastisch ausweiten. Ab Montag sollen statt an bislang 2 Schulen an insgesamt 16 Schulen Kinder von Klasse eins bis sechs Islamunterricht der Föderation erhalten. Das sagte der Verwaltungsratsvorsitzende Burhan Kesici der taz. „Wir rechnen dabei mit mehr als tausend Schülern, es können auch zweitausend sein.“

Bislang liegen nach Angaben der Schulverwaltung knapp 400 Anmeldungen vor. Die meisten Anfragen kämen aber erst nach Schulbeginn, so Kesici. Im vergangenen Schuljahr haben lediglich 60 Kinder am Unterricht der Organisation teilgenommen. Die Islamische Föderation wird in der Schulverwaltung skeptisch beäugt, denn sie hat enge Kontakte zu Milli Görüs, einer Organisation, die vom vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft wird.

Allerdings bekommt die Föderation jetzt Konkurrenz. Erstmals bietet auch Kulturzentrum Anatolischer Aleviten Islamunterricht an. „Wir starten an drei Schulen mit insgesamt 36 Kindern in den Klassen eins bis vier“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Kulturzentrums, Ismet Dertli. „Wir wollen langsam anfangen und das in Ruhe erproben.“ Ursprünglich hatten die Aleviten Unterricht an 10 Schulen angemeldet. An der Kreuzberger Nürtingen-Grundschule können die Eltern künftig sogar zwischen den beiden Angeboten wählen.

Anders als bei der Islamischen Föderation hat die Schulverwaltung den als tolerant geltenden Aleviten relativ schnell die Erlaubnis erteilt, Religionsunterricht zu geben. Die Föderation hatte sich in einem langwierigen Verfahren über mehrere Instanzen das Recht dazu erstritten. Da in Berlin – anders als den anderen Bundesländern – die SchülerInnen kein wertorientiertes Fach belegen müssen, der Religionsunterricht völlig freiwillig ist und allein unter der Aufsicht der Religionsvereinigungen steht, können beide Gruppen ohne staatliche Kontrolle ihr Verständnis vom Koran lehren.

Weil der Unterricht der Islamischen Föderation bei vielen türkischen Eltern unter dem Verdacht des Fundamentalismus steht, hat das geplante Angebot der Aleviten schon vor Beginn des Unterrichts großes Interesse gefunden. Allein unter den Gemeindemitgliedern hätten 300 Eltern Interesse geäußert, sagte Dertlis. Deshalb wollen die Aleviten das Angebot ab 2003 ausweiten.

In der Schulverwaltung wird unterdessen weiterhin ein Modellprojekt zu Islamkunde geprüft, das als Alternative zum islamischen Religionsunterricht angeboten werden könnte. Dabei würde es sich um ein bekenntisfreies Fach handeln, das von einem ausgebildeten, staatlich anerkannten Lehrer unterrichtet wird. Eine grundsätzliche Neuregelung des Religions- und Weltanschauungsunterrichts steht in Berlin aber weiter aus.

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