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Anarchist über Wissenschaft„Es soll immer um Revolution gehen“

Drei Tage lang beleuchtet ein Kongress in Hamburg „Anarchistische Perspektiven auf die Wissenschaft“. Es geht darum, herrschaftsfrei zu denken, sagt ein Veranstalter.

Hoch konzentrierte AnarchistInnen: hier beim internationalen Treffen 2012 in St. Imier Foto: dpa
Katharina Schipkowski
Interview von Katharina Schipkowski

taz: Mikhail, Wissen und Herrschaft sind untrennbar verknüpft. Wie passen dann Anarchie und Wissenschaft zusammen?

Mikhail: Es stellt sich die Frage: Was wird vermittelt und wie wird es vermittelt? An der Uni ist es meist unmittelbar verwertbares Herrschaftswissen. Da ist vorne der Prof, und ihm gegenüber die armen Bachelorschweine, die sich Wissen in den Kopf drücken, um es auf Knopfdruck abzurufen. Die lernen für die freie Wirtschaft, und da gelten klare Regeln: Wachstum, Profitmaximierung und stählerne Ellbogen. Fragen, die grundsätzliche Realitäten infrage stellen, können da nicht entstehen.

Wie sieht dagegen eine anarchistische Herangehensweise aus?

Übergreifend zu denken und versuchen, herrschaftsfrei zu denken. An Unis ist das Lernen klar in Fachbereiche aufgeteilt. Das ist nicht besonders schlau – man wird zu einer Monoamöbe. Man vergisst, dass die Welt groß ist und sich Sachen gegenseitig beeinflussen. Das zu berücksichtigen, ist eine anarchistische Herangehensweise. Der Vater der Reformpädagogik, Francisco Ferrer, hat gesagt: „Lass uns rausgehen, die meisten Fragen kommen dann von selbst.“

Beim Kongress gibt es eine Tagesordnung. Da steckt ja schon das Wort Ordnung drin. Ist das nicht zu herrschaftstragend?

Nein. Wir wollen nicht das Chaos, sondern wir sagen: Anarchie ist die beste Ordnung, die es gibt.

Im Interview: Mikhail

51, heißt eigentlich anders und ist Teil des Kongress-Orga-Teams.

Die Vorlesungen klingen ziemlich anspruchsvoll. Das sieht mir nicht gerade frei für jeden aus, sondern eher ausschließend.

Ist es aber nicht. Wir machen den Kongress jetzt zum zweiten Mal und hatten letztes Jahr ein breites Spektrum an AkademikerInnen und NichtakademikerInnen, auch aller Altersklassen. Das kann man schon so machen.

„Anarchistische Perspektiven auf die Wissenschaft“

„Anarchistische Perspektiven auf die Wissenschaft“, 28.-30. Oktober, Uni Hamburg. Mehr Infos: http://anarchie.userblogs.uni-hamburg.de/

Was wollen Sie erreichen?

Den anarchistischen Gedanken weiterzutragen. Anarchie und Wissenschaft sind in Deutschland noch nicht so entwickelt miteinander. In England ist das ganz anders. Letztendlich sollte es immer um die Revolution gehen. Aber dann fängt man halt erst mal mit einem Wissenschaftskongress an.

Wie sieht Ihre Utopie einer freien und anarchistischen Stadt Hamburg aus?

Sie hätte keinen Bürgermeister und keine Senatoren. Es gäbe kein oben und kein unten, es wäre eine Stadt, in der die Menschen in friedlicher Koexistenz leben und lernen. Es würde keine Polizei und keine Herrschaft geben. Die Leute würden – nicht würden, sondern werden – glücklich und kreativ sein, aufeinander zugehen, voneinander lernen und voneinander leben. Das ist es ganz grob.

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18 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Da hat jemand "das Wesen Mensch" nicht verstanden.

     

    Wer das Faustrecht des Stärkeren und die mitleidlose Vernichtung des Schwachen durchsetzen will, der fordert anarchisch "organisierte" Gesellschaften ein. Anarchie ist die brutalstmögliche Gesellschaftsform.

  • Wie arrogant ist dass den Studierende als "Schweine" zu titulieren und ihnen das Vermögen übergreifend zu denken abzusprechen. Auch scheint die existenz von speziellen Studiengängen, bei denen gerdae die holistische Sicht der Dinge ein Schwerpunkt ist, nicht bekannt zu sein.

    • @Rudolf Fissner:

      die redewendung "arme schweine" um die es hier geht, ist dir wohl nicht bekannt, oder was?

      aber gut, wenn dus chobnmal im verurteilen bist, dann lass dich bitte nicht aufhalten....

  • Wenn man in Hamburg (oder in jeder anderen Großstadt) auf wundersame Weise Bürgermeister, Senat, Polizei und Justiz entfernen würde, wäre das Resultat nicht Anarchie, sondern Anomie. Die Menschen lägen sich nicht in den Armen, sie schlügen sich die Köppe ein.

    Eine Gemeinschaft anarchisch zu organisieren ist schwierig und kann immer kippen. Als Beispiel, die Freistadt Christiania in Kopenhagen.

    Ich glaube nicht, dass es möglich wäre, eine größere Gemeischaft - Großstadt oder gar Staat - auf diese Weise zu organisieren.

    Generell kann man sagen, schlechter als ein schlechter Staat ist nur gar kein Staat. Siehe die Failed States unserer Zeit

    • @EF:

      Lieber EF, für die Gegenwart hast Du sicherlich recht. Ein wichtiger Grund ist, dass die meisten es gelernt haben, im Gegeneinander (Konkurrenz) zu denken und zu handeln, da Konkurrenz das Grundprinzip des Handelns in allen entwickelten Gesellschaften darstellt. In der Konkurrenz schlagen sich die Menschen aber auch die Köppe ein (siehe Kriege, siehe Branchen mit harter Konkurrenz, siehe Mobbing, …). Daneben gibt es noch das Grundprinzip der Kooperation, welches auch in allen entwickelten Gesellschaften notwendig ist, weil sonst keine Produktion möglich ist, bei der man mehr als einen Menschen braucht (sei es eine Firma, eine Fußballmannschaft, eine Familie, oder auch eine ganze Stadt): Menschen halten sich an Regeln (= beschränken sich selber), weil sie selber einen Vorteil davon haben (und wenn es nur der ist, dass sie ihren Mitmenschen weniger Streß bereiten und selber weniger Streß abbekommen). Das auszuweiten auf immer mehr Teile der Gesellschaft ist eine Frage des Wollens und des (Um-)Lernens (was natürlich anstregend ist!) und hat mit Glauben wenig zu tun. Will sagen: Wenn (und nur wenn!) ein genügend großer Anteil an Menschen einer Gesellschaft beschließen, die wichtigen Teile des Zusammenlebens in Kooperation zu organisieren und (um des eigenen Vorteils willen) freiwillig einen Teil der Arbeit übernehmen, dann klappt vieles. Dann benötigen sie Bürgermeister, Senat, Polizei und Justiz immer weniger … .

  • interessante Tagung, interessante Webseite.

    Das Spektrum der Darstellung in der taz reicht ja recht weit schmunzel.

    • @nzuli sana:

      Aber groß "übergreifend denkend" war das Programm ja nun grade nicht. Die Themen drehten sich zumeist um den eigenen Brei.

  • 1G
    12294 (Profil gelöscht)

    Hab mal einen Prospekt von den Zeugen Jehovas gesehen, da sah Hamburg ganz ähnlich aus.

    • @12294 (Profil gelöscht):

      Kommentar entfernt. Bitte vermeiden Sie Beleidigungen. Die Redaktion

  • @katharina schipkowski: verblüffend, dass in einem relativ linken medium die frage nach der koexistenz von ordnung und anarchie gestellt wird. das hätte ich eher von bürgerlich-konservativen kreisen her erwartet, wo anarchie noch mit chaos versimplifiziert wird.

    klare leseempfehlung für den anfang: https://de.wikipedia.org/wiki/Anarchie

    • 1G
      12294 (Profil gelöscht)
      @Gnarv:

      Bitte verzeihen Sie, dass sich hier auch Konservative tummeln. Auf Wunsch können wir Sie auch gerne im eigenen Sud köcheln lassen.

  • Luftschlösser und ideologische Spielwiese der gut bestallten Bürgerkinder im Kapitalismus. Damit sind auch die Repräsentanten des Finanz- und Monopolkapitals, die Quandts, Springer, Mohn und Siemens, einverstanden. Deren Kinder und Erben dürften sich auch beteiligen, wenn sie es nur wollten, gegebenenfalls mit einem Gutmenschenförderprogramm?

    • @Reinhold Schramm:

      Bißchen bekloppt?

      • @Neinjetztnicht:

        bisschen zu ehrlich?

      • 1G
        12294 (Profil gelöscht)
        @Neinjetztnicht:

        @taz

         

        sowas geht durch die Moderation?

      • 8G
        8545 (Profil gelöscht)
        @Neinjetztnicht:

        Bisschen unhöflich?

  • "Sie hätte keinen Bürgermeister und keine Senatoren. Es gäbe kein oben und kein unten, es wäre eine Stadt, in der die Menschen in friedlicher Koexistenz leben und lernen. Es würde keine Polizei und keine Herrschaft geben. Die Leute würden – nicht würden, sondern werden – glücklich und kreativ sein, aufeinander zugehen, voneinander lernen und voneinander leben. Das ist es ganz grob."

     

    Klingt nett.

     

    Ich hoffe, das Ergebnis des anarchistischen Wissenschaftskongresses ist ein Gehirnwäschestrahler, denn ansonsten wüsste ich nicht, wie diese Vorstellung umgesetzt werden soll.

    • @sart:

      schade, dass du zu erwachsen geworden scheinst, um noch zu hoffen oder zu träumen zu können.

      im übrigen ist gehirnwäsche absolute macht, und damit klar anti-anarchistisch.