Analyse: Unsanfte Landung
■ Tony Blairs Parteispendenaffäre berührt New Labours Selbstverständnis
Daß der britische Labour-Premierminister Tony Blair seine Regierungsperiode kürzlich als „Zeitalter des Gebens“ bezeichnete, dürfte er inzwischen bereuen. Labour steckt tief in einem Spendenskandal, nachdem bekannt wurde, daß die Partei im Wahlkampf eine Millionen-Spende vom Formel-1-Boß Bernie Ecclestone erhalten hatte – und sich nach der Wahl mit einer Ausnahmegenehmigung für Tabakwerbung bei Autorennen bedankte.
Labours Hinweis, unter den Konservativen habe es auch Parteispendenaffären gegeben, verfängt nicht. Wenn Blair sich, wie jetzt im Parlament, damit herausredet, vorher seien die Dinge schließlich nicht besser gewesen, gilt auch der Umkehrschluß: Labour ist auch nicht unbedingt besser als die Tories. Zumal der Formel-1-Skandal nicht der erste ist. Da wären die Affären der schottischen Labour-Partei, die zu Parteiausschlüssen und einem Selbstmord geführt haben. Oder die Nominierung des Chefs des Großkonzerns British Petroleum, einem Großspender für Labour, ausgerechnet zum Staatssekretär für Wettbewerbsfragen.
Schon immer hatten bei Labour die Geldgeber viel mehr Einfluß als die einfache Basis. Früher waren das die Gewerkschaften – und Blair verdankt seinen Aufstieg dem Kampf gegen die gewerkschaftliche Übermacht in der Partei. Aber nun haben offenbar spendable Unternehmer den Platz der Gewerkschaften eingenommen und agieren auf noch viel undurchsichtigere Weise. Denn während Old Labour vom öffentlichen Streit zwischen Gewerkschaftsflügel und gewählten Politikern lebte, geschieht bei New Labour alles hinter verschlossenen Türen.
Die Qualitäten, die New Labour zum Wahlsieg verhalfen, erweisen sich dabei als genau jene, die Korruption begünstigen: die hermetische Abriegelung des Parteiapparates gegenüber der Außenwelt, das Vermeiden öffentlicher Dissonanz, der absolute Vorrang der Selbstdarstellung, die Orientierung des Handelns auf den eigenen Erfolg statt auf den Ausgleich widerstreitender Interessen. Blairs Traum ist es, daß die Konservativen endgültig keine Rolle mehr in Großbritannien spielen und statt dessen Labour als „politischer Arm des britischen Volkes“ – wie er es einmal im Übermut formulierte – Harmonie im Land walten läßt.
Aber je erfolgreicher diese Strategie ist, und je mehr gesellschaftliche Gruppen sich in Labour wiederfinden, desto direkter werden innerhalb der Labour-Partei alle Widersprüche und Interessensgegensätze der britischen Gesellschaft reproduziert – und dazu gehört der schamlose Einfluß des großen Geldes. Auch die klügste kommunitaristische Theorie kann diese Realität nicht verbergen. Dominic Johnson
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