Analyse: Windmühlenflügel
■ Memorandum-Gruppe setzt auf Keynes und die Ökosteuer
Ob Grüne, PDS oder SPD – ihnen allen hat die Arbeitsgruppe Alternativer Wirtschaftspolitik mit ihrem am Mittwoch vorgelegten Memorandum '98 wenigstens in einer Hinsicht einen Gefallen getan. Die Wirtschaftswissenschaftler greifen genau die Punkte in der aktuellen Auseinandersetzung an, wo die Oppositionsparteien an Ansehen in der Öffentlichkeit oder an Abgrenzung zur Regierungskoalition verloren haben: bei der Diskussion um die ökologische Steuerreform, um einen öffentlich geförderten Sektor und um die beschäftigungspolitische Blockadehaltung der Bundesregierung Deutschlands in Europa.
Der Grundgedanke des Memorandums ist dabei aber der gleiche wie in jedem Jahr: Das Primat des Monetarismus verhindert die vernünftige Entwicklung in der Bundesrepublik, das Absolutziel einer stabilen D-Mark erstickt jeden Versuch, ein erfolgversprechendes Beschäftigungsprogramm durchzusetzen. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit zu einem Massenproblem angewachsen, das im Mittelpunkt jeder wirtschaftspolitischen Aktivität stehen müßte – was die Bundesregierung aber nicht anzuerkennen bereit sei.
Daß Hickel & Co mit dieser Kritik richtig liegen, bestätigte die Bonner Koalition zuletzt, als sie nicht einmal den von allen EU-Ländern gemeinsam beschlossenen Termin für die Vorlage ihrer nationalen Beschäftigungsprogramme einhalten konnte und nach zweiwöchiger Verspätung mit einem völlig unverbindlichen Papier weiter enttäuschte. Sie tat damit aber auch noch einmal deutlich kund, welche Rolle die jetzige Bonner Regierung der Bundesrepublik Deutschland im künftigen Euro-Land übernehmen soll. Die Grundlagen dafür sind bereits geschaffen. Indem Waigel, Kohl & Co die Stabilitätskriterien als A und O der Währungsunion durchgesetzt haben, haben sie dafür gesorgt, daß nicht nur die anderen Länder, sondern auch eine andere deutsche Regierung Schwierigkeiten haben würde, sich von dieser Politik zu emanzipieren und neue soziale oder beschäftigungsorientierte Maßstäbe zu setzen.
Trotzdem ist genau das der Vorschlag der alternativen Wirtschaftswissenschaftler: die Stoßrichtung umdrehen und sich auf eine ausgewogene Mischung aus Staat und Marktwirtschaft besinnen, in der die Massenarbeitslosigkeit mit der 34-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich und einem dauerhaft staatlich finanzierten Sektor für gesellschaftlich relevante Arbeitsbereiche bekämpft werden soll. Finanziert würde das Ganze nach dem Rezept, das die Memorandum- Gruppe jährlich wiederholt: durch eine ökologische Steuerreform mit niedrigeren Eingangssteuersätzen, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und Abgaben auf Gewinne aus Devisenspekulationen. bw
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