Analyse: Neuer Anlauf im Kosovo
■ Geheimdiplomatie als erster Schritt zu künftigen direkten Verhandlungen
Noch verhandeln Serben und Kosovo-Albaner nicht direkt, jedoch hat zwischen Belgrad und Priština ein Briefwechsel begonnen. Auch dazu bedurfte es amerikanischen Drucks. Nachdem der Führer der Kosovo-Albaner, Ibrahim Rugova, ein Verhandlungsteam ernannt hatte, in dem mehrere Parteien der Kosovo-Albaner und die Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) nicht vertreten sind, bot der Vizepräsident der serbischen Regierung, Ratko Marković, brieflich Verhandlungen an. Man solle mit ihm Ort und Zeitpunkt verabreden. In seiner Antwort erklärte sich Fehmi Agani, Chef der albanischen Seite, dazu im Prinzip bereit. Jedoch müßten erst die Kampfhandlungen eingestellt und jene serbischen Truppen, die „Gewalt gegen die Zivilbevölkerung angewendet“ hätten, zurückgezogen werden. US-Vermittler Christopher Hill solle einen Gesprächstermin vermitteln.
Darauf fuhr Marković nach Priština und wartete demonstrativ auf Agani, obwohl nichts verabredet war. Aufgebracht unterstrich Agani in einem zweiten Brief seine Gesprächsbereitschaft. Sollten die Serben jedoch nicht bereit sein, Truppen abzuziehen, solle man „das Spiel beenden“.
Diese „Spiele“ sind für das jeweils eigene Publikum bestimmt. Verhandlungen haben indirekt bereits begonnen. Hill klopft, wie er sagt, „Ideen“ erst in Belgrad ab, bringt sie nach Priština und kehrt mit Bemerkungen dazu wieder nach Belgrad zurück. Es geht um den Plan der Kontakt-Gruppe, der eine „weitgehendste“ Autonomie für den Kosovo vorsieht. Am letzten Gespräch zwischen Hill und dem serbischen Präsidenten Milan Milutinović nahm neben Ratković auch der Sonderbeauftragte von Milošević für die Verhandlungen mit den Kosovo-Albanern, Bundesminister Vladan Kutlešić, teil. Beide sind Verfassungsrechtler und werden bei Änderungen der Verfassung Hand anlegen.
Die serbische Offensive im Kosovo wird aufhören, weil die UCK ihre eroberten Gebiete, fast die Hälfte des Territoriums, aufgeben mußte und sich in die Berge zurückgezogen hat. Von dort aus bereitet sie weitere Schläge vor. In Serbien desertieren Soldaten und Polizisten, die sich nicht in den Kosovo versetzen lassen wollen, und kündigen. Belgrad ist so knapp an einsatzbereiten Truppen, daß vor kurzem zurückeroberte Orte, wie Glodjane, wieder verlassen wurden und erneut die UCK einzog. Die Kosten der Offensiven sind nicht mehr aufzubringen. Deshalb werden Gespräche beginnen, auch wenn ein Erfolg noch in weiter Ferne liegt. Hill sagte, man brauche viel Zeit. Der Amerikaner hat sie, die 200.000 albanischen und 5.000 serbischen Flüchtlinge nicht. Trotzdem darf man den möglichen Fortschritt nicht zerreden, sondern muß auch der Geheimdiplomatie eine Chance geben. Ivan Ivanji
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen