Analyse: Keine Experimente
■ Taiwans Kuomintang gewinnt mit Wirtschafts- und Entspannungspolitik
Taiwans Wähler haben am Samstag den regierenden Nationalisten der Kuomintang (KMT) ihr Vertrauen ausgesprochen. Die seit 50 Jahren ununterbrochen herrschende Partei konnte mit 124 Mandaten ihre Mehrheit im 225sitzigen Parlament ausbauen und gewann mit Ma Ying-jeou den Bürgermeisterposten in Taipei zurück. Dagegen verlief für die oppositionelle Demokratische Fortschrittspartei (DPP) der Wahlgang gemischt. Sie konnte ihre Sitzzahl im Parlament halten und gewann überraschend die Bürgermeisterwahl in der zweitgrößten Stadt Kaohsiung. Dagegen verlor ihr Politstar Chen Shui-bian seinen Posten als Bürgermeiser von Taipei. Der Urnengang in der Hauptstadt galt als Vorentscheid für die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000. Chen gilt als gemäßigter Befürworter einer Unabhängikeit der Taiwans von China und als der Spitzenkandidat der Opposition.
„Die Bürger Taiwans Bürger haben ein klares Signal an Peking gegeben, daß sie Stabilität und den Status quo wünschen“, kommentierte Lu Ya-li, Professor für Politikwissenschaft der Taiwan-Universität, das Wahlergebnis. Der Erfolg der KMT zeige, daß die Bevölkerung weder eine schnelle Wiedervereinigung mit dem Festland noch eine frühzeitige Unabhängigkeit anstreben.
Abzulesen ist diese Haltung auch am Wahlergebnis der zweitgrößten Oppositionspartei, der konservativen Neuen Partei. Sie verlor mit ihrer Pro-Vereinigungsplattform die Hälfte ihrer Sitze. Chancenlos blieb auch die Unabhängigkeitspartei (Taip), die nur einen Sitz gewann. Unabhängige Kandidaten haben dagegen die Zahl ihrer Sitze mehr als vervierfacht und sind nun mit 19 Mandaten die drittstärkste Kraft im Parlament.
Nach zehn Jahren Demokratisierung entwickelt sich Taiwans politische Landschaft immer stärker zu einem Zweiparteiensystem. Noch vor einem Jahr erlitt die Regierungspartei auf lokaler Ebene eine bittere Niederlage gegen die DPP. Nun konnte die KMT auf nationaler Ebene ihre Mandate erhöhen. Politikprofessor Stephen Wu sieht darin eine Funktionsaufteilung unter beiden Parteien. Auf lokaler Ebene trauen die Wähler der oppositionellen DPP eher Reformen im Kampf gegen die Korruption und Kriminalität zu. Geht es dagegen um außen- und wirtschaftspolitische Themen, dann hören die Taiwaner noch immer auf die KMT. Sie hat mit einer soliden Wirtschaftspolitik den Sturm der Asienkrise von der Insel ferngehalten und in den letzten Monaten Fortschritte verzeichnet in der Entspannungspolitik mit Peking. Ein Kurs, der sogar von Oppositionspolitikern positiv beurteilt wird. Für die Präsidentschaftswahlen im Jahre 2000 deutet deshalb alles darauf hin, daß wieder ein KMT-Politiker das Amt gewinnt. André Kunz Portrait Seite 13
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