piwik no script img

AnalyseWashingtons Wandel

■ USA machen Druck auf Milosevic und hofieren Serbiens Opposition

Die Töne aus Washington sind gegenüber dem Regime in Belgrad wieder schriller geworden. Nachdem Holbrooke und Milošević das Abkommen über die OSZE-Mission im Kosovo abgeschlossen hatten, sah es nach einer Entspannung zwischen beiden Seiten auf Kosten der Kosovo- Albaner aus. Mit der Verhaftung des bosnisch-serbischen Generals Krstić durch US-amerikanische SFOR-Truppen und einem astronomischen Kopfgeld zur Ergreifung von Radovan Karadžić wurden aber bedeutende Zeichen gesetzt.

Laut britischer und US-amerikanischer Presse soll Präsident Clinton den Geheimdienst CIA sogar angewiesen haben, auf den Sturz Miloševićs hinzuarbeiten. Und wie es aussieht, wollen die US- und Euro-Diplomaten die serbische Opposition erneut ins Spiel bringen. Oppositionspolitiker wie Milan Panić, Zoran Djindjić, Vesna Pesic und andere tagten kürzlich in Wien. Die heterogene und unzuverlässige serbische Opposition soll wohl Milošević von innen unter Druck setzen.

Bisher hatten die USA und die EU Milošević als „stabilisierendes Element“ angesehen. Obwohl den Diplomaten nicht entgangen war, daß Milošević erst die Konflikte herbeiführte, die er dann wieder zu stabilisieren half, schien für sie nichts so gefährlich wie der Sturz ihres Widersachers. Der Fall Milošević' würde in Serbien vielleicht sogar zum Bürgerkrieg führen, war die Befürchtung. Rückt man jetzt von dieser These ab? Der Sinneswandel der US-Politiker könnte damit zusammenzuhängen, daß Milošević seine Herrschaft selbst unterhöhlt. Indem der Oberkommandierende der Armee Perisić abgesetzt wurde, hat sich Milošević zwar einen Opponenten vom Halse geschafft, der wie der Geheimdienstmann Jovica Stanisic den Kurs im Kosovo kritisiert. Doch damit wird der Charakter seiner Herrschaft immer deutlicher. Er kann nicht einmal die Kritik loyaler Gefolgsleute vertragen.

Auch die Gerüchte, Milošević wolle in Montenegro eingreifen, um Präsident Milo Djukanović zu stürzen, hat Washington, Brüssel und Wien auf den Plan gerufen. Gerade amerikanische Diplomaten haben in den letzten Monaten Montenegro immer wieder Unterstützung zugesagt. Käme es zu bewaffneten Konflikten zwischen Serbien und Montenegro, wäre zudem vor allem die muslimische Bevölkerung des Sandžak betroffen. Eine Ausweitung des Konflikts über den Kosovo hinaus soll vermieden werden. Kritiker fürchten nach all den Erfahrungen der letzten Jahre, die amerikanische Drohung könnte sich als eine taktische erweisen, um einige kleinere Zugeständnisse in bezug auf den neuen amerikanischen Friedensplan im Kosovo zu erreichen. Meinte Clinton es mit seiner Drohung ernst, geriete die Herrschaft Milošević' tatsächlich in Gefahr. Erich Rathfelder

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen