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Analyse der Bundesagentur für ArbeitVom Job direkt in Hartz IV

Zu wenig eingezahlt oder nicht lang genug: Jeder Vierte, der seinen Job verliert, hat keinen Anspruch mehr auf das deutlich höhere Arbeitslosengeld I und ist sofort auf Hartz IV angewiesen.

Geringqualifizierte haben ein viel höheres Risiko, direkt in Hartz IV zu rutschen. Bild: dpa

BERLIN dpa | Jeder vierte Beschäftigte, der arbeitslos wird, ist nach einem Zeitungsbericht sofort auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) angewiesen. Dabei handele es sich häufig um Geringqualifizierte, knapp ein Drittel sei zuvor als Leiharbeiter tätig gewesen, zitiert die Süddeutsche Zeitung aus einer Analyse der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die Zahl der neuen Arbeitslosen, die direkt in die staatliche Hartz-IV-Grundsicherung absteigen, hat demnach seit 2008 deutlich zugenommen.

Wer in den letzten zwei Jahre vor Verlust seines Arbeitsplatzes mindestens ein Jahr in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, besitzt einen Anspruch auf das erheblich höhere Arbeitslosengeld I. Es wird in der Regel zwölf Monate ausgezahlt, Langzeitarbeitslose erhalten danach das geringere Hartz IV.

Die BA-Untersuchung zeigt dem Bericht zufolge nun, dass immer mehr der neu arbeitslos Gewordenen kein oder zu wenig Geld aus der Arbeitslosenversicherung bekommen. "Entweder war die Beschäftigungszeit zu kurz, um Ansprüche zu erwerben, oder das früher erzielte Lohneinkommen war zu niedrig, um mit dem daraus abgeleiteten Arbeitslosengeld-Anspruch den Bedarf zu decken und muss mit Arbeitslosengeld II aufgestockt werden", heißt es in dem Papier.

Laut Bundesagentur verloren in den vergangenen zwölf Monaten bis Ende November 2011 etwa 2,8 Millionen Beschäftigte ihren Job. 737 000 wanderten sofort ins Hartz-IV-System, pro Monat waren dies 61 000. Vor drei Jahren, im November 2008, waren es monatlich noch 51 000.

Das Risiko, als Arbeitsloser direkt zum Hartz-IV-Fall zu werden, hängt maßgeblich von der Qualifikation ab: Bei Fachkräften passiert dies laut den BA-Zahlen nur etwa in jedem fünften Fall. Bei Geringqualifizierten, die arbeitslos werden, muss fast jeder zweite sofort Leistungen der staatliche Grundsicherung beziehen. Branchen mit hohem Anteil an ungelernten Arbeitskräften wie das Gastgewerbe und die Leiharbeit sind dabei besonders stark vertreten.

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8 Kommentare

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  • A
    axel

    Dank SPD und Grünen (und später CDU und FDP) ist der "Sozialstaat" mittlerweile vor die Hunde gegangen.

    Aber für die "Bankenrettung" sind schnell und parteiübergreifend Milliarden Euro parat gestellt, beim Menschen sparen obige Parteien hingegen wo es nur geht.

    Mit Sozial haben weder SPD, Grüne noch CDU und FDP etwas gemein. Und der Hinweis in den Medien auf die Verursacher dieser Politik fehlt wie üblich.

  • B
    bb1921

    Dass die TAZ kommentarlos und unbearbeitet Artikel der dpa einfach nachdruckt, finde ich ganz schön flach. Besonders zu diesem Thema. Wieviel Niedrigqualifizierte sind denn in der Leiharbeit und wieviele Akademiker und Arbeitnehmer mit abgeschlossener Berufsausbildung sind es wirklich? Stattdessen werden die Märchen der Sklavenhändler kritiklos nachgebetet, die angeblich rein menschenfreundlich den Geringqualifizierten zu einem Arbeitsplatz verhelfen. Es ist zum Erbrechen!

  • JK
    Juergen K.

    Und da sind die, die erst nach 180 Tagen oder etwas mehr in Hartz rutschen noch gar nicht drin.

     

    Und selbst, wenn man jetzt etwas verbessern wollte:

     

    gefühlten 20 Millionen hat man in Deutschland im letzten Jahrzehnt bereits

     

    sämtliches Hab und Gut ausgepresst, enteignet.

     

    Denen, die sich in Wohlstand wähnen, seinen Investitionen in die sicherheitsbranche angeraten.

     

    "Kaufen sie sich einen verarmten Personenschützer"

     

    "Lassen Sie doch mal Ihr Auto von den Herumstehenden bewachen"

     

    Sie kennen das?

    Genau - aus AMI Filmen - Genau die im Ghetto.

     

    Sie können hier nicht weg ?

    Nein, SIE haben keine Freunde in der Schweiz.

     

    SIE wollten das gar nicht?

     

    SIE wollten nur,

    dass sie arm und billig sind,

     

    Ihren Hass ertragen,

    Nett und beschaulich?

  • EW
    Eva Willig

    Schön, dass Sie nach 6 Jahren Hartz IV und 52 Deformen, Teile des Systems begriffen haben.

    Gruß

    Eva Willig

    Lobbyistin für Arme

  • H
    Hans

    Es ist eine Illusion, dass Fachwissen automatisch vor Hartz-IV schützt, denn die Bundesagentur hat hier lieber nicht definiert, wer oder was eine Fachkraft ist. Viele Leiharbeiter haben eine duale Ausbildung abgeschloßen und viele haben auch eine Familie, müssen sozusagen eine Arbeit annehmen. Die können also schlecht ein Aufbaustudium anfangen oder sich umschulen lassen.

     

    Das eigentliche Problem heißt doch Hartz-IV: Es ist eine sonderbare Art der Sozialhilfe geworden, die eben selbst für Neu-Arbeitslose zur Anwendung kommt und damit deren schlechte Position gleich fortschreibt. Im ALG II-Bereich hätten die Arbeitslosen sogar mit Familie die Chance, sich weiterzubilden oder neues Wissen sich anzueignen. Viele haben dort auch drastisch bessere Chancen, überhaupt in eine normale Arbeit vermittelt zu werden, denn im ALG II (Hartz) wird in der Regel nur in Leih- und Zeitarbeit vermittelt, bzw. die Arbeitslosen bekommen ein DIN-A4-Zettel in die Hand gedrückt mit den entsprechenden Firmen (darunter immer wieder auch dubiose Firmen).

     

    Dass tatsächlich ein ALG-II-Vermittler zum Telefonhörer greift und wirklich Firmen für einen Arbeitslosen anruft, ist die absolute Ausnahme, kommt wahrscheinlich wirklich nur dort vor, wo die Hartz-Quote im Keller ist und eine Nachfrage nach Arbeitskräften herrscht.

  • W
    WhiskeyBernd

    Hartz4 ist nicht immer geringer. Teilzeitkräfte zb erhalten wenige ALG1 und müssen mit Hartz4 noch aufstocken.

  • WR
    Weiße Rose

    Das Millionenheer der Armen wächst unaufhaltsam. Junge, Alte, Männer wie Frauen, Menschen mit und ohne Arbeit konkurrieren um Ascheimerinhalte. Die Klassengesellschaft wird rigoros installiert und festzementiert. Völlig ungehemmt und ungeniert saugen sich die sogenannten Leistungsträger bis zum Erbrechen voll und schreien: "Genug ist nicht genug!"

    Und sie wissen dabei genau, dass sie niemand stoppen wird...

  • B
    Branko

    Und der Rentenanspruch ist somit auch gleich komplett negiert - ja, okay, 13,81 werden die vermutlich an Rente im Monat erhalten; "spätrömische Dekadenz" auf Basis von "leistungslosem Wohlstand".

     

    Das sind die Anfänge des Ergebnisses des

    sogenannten Jobwunders,

    was uns Union/"Liberale" und SPD/Grüne (ja, auch und vor allem die!) seit Mitte der 90er Jahre mit vollmundigsten Schönmalereien forciert reingedrückt haben.

     

    Wer wissen will, wie's weitergeht, möge einen Blick nach Großbritannien oder in die USA werfen.