Amtsenthebung von Brasiliens Präsidentin: Rousseff verteidigt sich im Senat
In den nächsten Tagen entscheidet der Senat in Brasilien über Dilma Rousseffs Entfernung aus dem Amt. Die weist die Korruptionsvorwürfe gegen sich zurück.
„Ich kämpfte um mein Amt nicht aus Eitelkeit, sondern um Demokratie und Gerechtigkeit zu verteidigen“, sagte Rousseff. Ihren Gegnern warf sie vor, in einem fragwürdigen Prozess den Wählerwillen zu hintergehen. „Beweise für mein Fehlverhalten wurden nicht vorgelegt“, sagte sie. Unter Vorwänden werde sie des Amtes enthoben, um eine andere, konservative Politik durchzusetzen. „Es ist ein Verfassungsbruch, ein Putsch“, betonte Rousseff vor dem Senat.
Die 68-Jährige ist seit 2011 im Amt und wurde 2014 mit knapper Mehrheit wiedergewählt. Der Mitte-Links-Politikerin, die seit Mai von ihrem Amt suspendiert ist, werden illegale Haushaltstricks vorgeworfen. Sie soll am Kongress vorbei Kredite bewilligt und Zahlungen an staatliche Banken verzögert haben, um die angespannte Haushaltslage zu vertuschen.
Bis zum Samstag wurden vor dem Senat Zeugen verhört und Plädoyers gehalten. Es kam zu mehreren heftigen Wortgefechten zwischen Gegnern und Befürwortern der Amtsenthebung. Seit Montagmorgen ist das Kongressgebäude in Erwartung von Demonstrationen beider Seiten weiträumig abgesperrt. Spätestens am Mittwoch wird der Senatsbeschluss über ihre Amtsenthebung erwartet.
Mehrheit wahrscheinlich
Für Rousseffs Absetzung ist eine Zweidrittelmehrheit der 81 Senatoren notwendig. Stimmen also mindestens 54 Senatoren gegen Rousseff, übernimmt ihr früherer Vizepräsident und derzeitige Übergangspräsident Michel Temer das höchste Staatsamt bis zum Ende der Wahlperiode im Dezember 2018. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass eine qualifizierte Mehrheit Rousseff für schuldig befinden wird.
Die Präsidentin büßte ihre Mehrheit im Kongress ein, nachdem im April mehrere Koalitionspartner zur Opposition übergelaufen waren. Rousseffs Arbeiterpartei sieht in der Amtsenthebung eine Taktik, um vom Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras abzulenken, in den zahlreiche Politiker verwickelt sind.
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