Ampelparteien und die Pandemie: Unsere Demokratie kann Krise
Corona ist nicht vorbei. Die WHO verlängert die gesundheitliche Notlage. Die Ampelparteien beenden trotzdem den Ausnahmezustand. Und das ist richtig.
D ass die Ampelparteien die epidemische Notlage auslaufen lassen wollen, mutet vielen wie eine milde Form von Wahnsinn an. Die Infektionszahlen steigen derzeit schneller, als man „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ aussprechen kann. Die Weltgesundheitsorganisation hat gerade die gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite verlängert. Damit hatte der Bundestag seinerzeit die Ausrufung des deutschen Ausnahmezustands begründet.
Und dennoch: Die Entscheidung von SPD, Grünen und FDP ist richtig. Es ist Zeit, den rechtlichen Ausnahmezustand zu beenden.Unsere Demokratie muss in der Lage sein, auch Krisen mit demokratischen Mitteln zu meistern. Alles andere wäre eine Bankrotterklärung. Das Gute ist: Unsere Demokratie IST dazu in der Lage.
Als der Bundestag im März 2020 erstmals die epidemische Notlage konstatierte, erlaubte er damit Bundesregierung und Ländern, auf vereinfachtem Weg und ohne Zustimmung der Parlamente zentrale Coronamaßnahmen anzuordnen. Darunter die Maskenpflicht, aber auch Versammlungsverbote, die Schließung von Geschäften und Schulen bis hin zu Ausgangssperren. Schwerwiegende Grundrechtseinschränkungen also, die dennoch breit akzeptiert wurden. Das Virus war neu, die Gefahren waren unbekannt.
Manche Maßnahmen wirken im Nachhinein so, als hätte man mit einer Schrotflinte auf einen Schwarm Mücken gezielt. Die Absperrung von Sitzbänken etwa, irgendwo im Wald. Oder die flächendeckende Sperrung von Spielplätzen, ob im Ballungsgebiet oder auf dem flachen Land. Verzeihlich, denn auch die Politiker:innen stocherten im Nebel. Man wusste vieles nicht.
Das ist inzwischen anders, wir wissen viel besser über das Virus Bescheid, wie es sich verbreitet und wie man es bekämpft. Es gibt mehrere Impfstoffe, zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland sind vollständig geimpft. FDP-Generalsekretär Volker Wissing glaubt sogar, dass derzeit keine ernste Gefahr für die öffentliche Gesundheit der Menschen besteht. Dieser Optimismus wirkt verfrüht. Die Intensivstationen füllen sich gerade wieder.
Umso wichtiger ist es, die Akzeptanz für das Impfen zu steigern wie auch für Hygienekonzepte und Vorsichtsmaßnahmen – Masken in Innenräumen und im öffentlichen Nahverkehr. Akzeptanz lässt sich am besten herstellen, wenn die Verantwortung wieder dorthin geht, wo diese Maßnahmen greifen. Vor Ort und an die demokratisch gewählten Parlamente.
Wo Inzidenzen in die Höhe schnellen, wo die Krankenhäuser sich füllen, wird es auch künftig möglich sein, Veranstaltungen abzusagen, Ferien zu verlängern oder Geschäfte zu schließen. Diese Entscheidungen fallen künftig demokratisch. Und das ist gut.
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