Ampelkoalition in der Kritik: Haushalt der Hoffnung
Bundesrechnungshof und Bundesbank kritisieren den Haushaltsentwurf der Ampel für 2025. Der wird ab Dienstag im Bundestag debattiert.
Diese Einschätzung beinhaltet einen guten Teil Zweckoptimismus. Tatsächlich spiegelt der Haushaltsentwurf von SPD, Grünen und FDP die komplizierte Lage der Wirtschaft und der Koalition. Es herrscht ökonomische Stagnation, und die Regierungsfraktionen haben Mühe, sich zu einigen.
Obwohl Finanzminister Lindner die Ausgaben eigentlich senken wollte, sollen sie mit geplanten 489 Milliarden Euro 2025 doch auf dem selben Niveau liegen wie 2024. Das Gleiche gilt für die ausgewiesene Neuverschuldung von gut 50 Milliarden Euro.
Erhebliche Finanzierungslücken
Wobei die Koalition zu niedrige Einnahmen und höhere Ausgaben nur dadurch einigermaßen zum Ausgleich bringt, dass sie erhebliche Finanzierungslücken ausweist, die noch geschlossen werden müssen. Diese sogenannten globalen Minderausgaben sind einerseits normale Vorgänge, weil es der Staat nie schafft, alle seine Pläne und Ausgaben zu verwirklichen. Den aktuellen Umfang der Hoffnungswerte kritisiert allerdings der Bundesrechnungshof in einem Bericht an den Bundestag: „Die Dimension globaler Ansätze im Entwurf des Haushaltes 2025 ist mit dem parlamentarischen Budgetrecht nicht vereinbar.“ Mit anderen Worten: Durch die unklaren Buchungen beschneide die Regierung die Entscheidungsbefugnis der Abgeordneten.
Diese Lücke im 488-Milliarden-Euro-Entwurf beträgt jetzt 12 Milliarden Euro – etwas mehr als in früheren Etats, aber nicht viel mehr. Zwei bis drei Milliarden Euro werde man in den Haushaltsverhandlungen bis Dezember noch auftreiben, sagte Lindner.
Aber ähnliche Hoffnungsposten sind auch in anderen Abteilungen des Haushalts versteckt. Da ist zum Beispiel der Klima- und Transformationsfonds mit Aufwendungen unter anderem für den Austausch von Heizungen und die Förderung für Unternehmen in Höhe von 35 Milliarden Euro. Dort hat die Regierung eine globale Minderausgabe von 9 Milliarden Euro eingebaut. Beim Sondervermögen für die Bundeswehr hofft die Koalition ebenfalls, dass nicht alles ausgegeben wird. Dort beträgt die Minderausgabe 5 von 27 Milliarden Euro, so der Rechnungshof.
„Sehr ambitioniert“
Die Bundesbank moniert in ihrem aktuellen Monatsbericht Weiteres. Im Rahmen der Wachstumsinitiative, die die Wirtschaft ankurbeln soll, habe die Regierung etwa Einsparungen beim Bürgergeld für Arbeitslose von 4,5 Milliarden Euro veranschlagt. „Dies wäre ein Rückgang um 16 Prozent und scheint damit sehr ambitioniert.“ Schließlich steigt die Zahl der unterstützten Privathaushalte in Zeiten wirtschaftlicher Schwäche eher, als dass sie sinkt.
Einerseits lassen sich solche Rechenkunststücke als Zeichen dafür interpretieren, dass die Ampel ihre kontroversen Vorstellungen nur mit Mühe in einen gemeinsamen Haushalt presst. Andererseits kann man das als Fähigkeit zum Kompromiss betrachten – wie auch den Umgang mit der Schuldenbremse.
Die Regel im Grundgesetz wird offiziell eingehalten, weil die FDP eine Änderung ablehnt. Doch der Bundesrechnungshof stellt fest: „Die echte Nettokreditaufnahme“ ist „deutlich höher“ als die offizielle Größe. Erstere liege tatsächlich bei 87 Milliarden Euro, weil unter anderem das Sondervermögen für die Bundeswehr mit Schulden finanziert werde. Hinzu kommen weitere Posten, etwa Kapitaleinlagen des Bundes bei der Deutschen Bahn, finanziert aus Krediten, die aber nicht unter die Schuldenbremse fallen.
Zu weit getrieben?
Der Rechnungshof unter seinem Präsidenten Kay Scheller, der vorher unter anderem in der Unionsfraktion im Bundestag arbeitete, warnt die aktuelle Regierung sogar, dass sie es zu weit treibe. Bei ihrem Nachtragshaushalt für 2024 setze sie die Neuverschuldung zu hoch an, und im Etatentwurf 2025 wolle sie eigentlich zweckgebundene Corona-Mittel für andere Aufgaben verwenden. Die Union könnte das als Steilvorlage für eine neuerliche Klage beim Bundesverfassungsgericht betrachten, welches einen ähnlichen Finanzierungsversuch der Ampel schon einmal vereitelt hatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands