piwik no script img

Amoklauf an Grundschule in BelgradAcht tote Schüler – und Dragan

Ein 13-Jähriger schießt an einer Belgrader Grundschule um sich, tötet acht Mitschüler und den beliebten Schulwächter. Sein Motiv ist völlig unklar.

Vor der Grundschule in im serbischen Belgrad Foto: Djordje Kojadinovic/reuters

Belgrad taz | Belgrader sind nicht leicht einzuschüchtern, aber der Amoklauf an einer Grundschule hat sie am Mittwoch in einen Schockzustand versetzt. Vladislav Ribnikar heißt die bekannte Schule, in der Französisch gelehrt wird. Im Gebäude nebenan befindet sich das Dritte Belgrader Gymnasium. Nur ein Schulhof trennt sie. Die Grundschule in Serbien dauert acht Jahre, die Mittelschule vier.

Der Täter ist ein dreizehnjähriger Junge, die Opfer sind Kinder. Acht seiner Schulkameraden hat er mit der Pistole seines Vaters getötet, und den Schulwächter. Sechs Kinder und eine Lehrerin hat er verwundet. Zwei Kinder sind im kritischen Zustand, eines mit einem Kopfschuss, das andere mit einer Kugel im Magen.

Mit wem immer man an diesem Mittwoch in Belgrad redet – die Emotionen kochen, Erwachsene beginnen zu schluchzen aus heiterem Himmel, die Worte kommen nur schwer aus dem Mund. Zu viele Krisen hat man schon erlebt, was an diesem Morgen passiert ist, war einfach zu viel.

Stundenlang gab es gar keine offiziellen Informationen. Kein Wort von den Behörden. Später erfuhr man, warum – wie soll man verkünden, dass acht Kinder von einem Kind erschossen worden sind. Man musste sie zuerst identifizieren, die Eltern benachrichtigen.

Er schoss auf alles, was ihm in den Weg kam

Aber das schürte zusätzlich Panik, die Boulevardpresse brachte die Gerüchteküche zum Überkochen. Von toten Kindern war die Rede – aber wie viele, in welcher Schule, welche Kinder? Bald veröffentlichten die Boulevardmedien den vollen Namen und das Foto des dreizehnjährigen Täters. Einsam waren Stimmen, die sich aufregten, weil die Identität eines Kindes bekannt gegeben wird.

Kollegen von der serbischen Boulevardpresse rannten mit laufenden Kameras vor der Schule sichtlich eingeschüchterten Kindern hinterher, fragten sie aus, wie das alles gewesen sei, ob sie Angst gehabt hätten …

Erst nach fünf Stunden verkündete das Innenministerium, was tatsächlich passiert ist: Der dreizehnjährige Täter kam um acht Uhr morgens in die Schule. Zwei Pistolen seines Vaters, eines Arztes, hatte er – eine kleinkalibrige und eine 9 mm-Schusswaffe. Er begann sofort zu schießen und tötete den Wächter, den von allen Schülern geliebten Dragan.

Dann ging er weiter und schoss auf alle, die ihm begegneten. Und zwar sehr präzise – 16 Mal hat er getroffen, Menschen, die sich bewegten.

Über seine Motive ist man sich noch nicht im Klaren. Sehr guter Schüler soll er gewesen sein, aber sehr still, zurückhaltend. Manche Mitschüler sollen ihn schikaniert haben, er hätte das auch gemeldet, aber nichts sei passiert, berichten serbische Medien. Und, dass das ganze System in dieser Tragödie versagt habe.

Vor den beiden Schulen versammeln sich Schüler. Fassungslos, wütend, ziellos. Niemand spricht mit ihnen. Sie sind auf der Straße, unter sich. Sie wollen am Abend zu Ehren von Dragan, dem getöteten Wächter, ein großes Bild von ihm an der Außenwand der Schule zeichnen. An die acht getöteten Schüler denken sie noch nicht. Das ist zu unwirklich. Das kann nicht sein. Kinder sterben nicht. Und vor allem, sie werden nicht getötet.

Am Freitag beginnt in Serbien eine dreitägige Staatstrauer. Warum erst am Freitag? Das weiß kein Mensch.

Hinweis: Zwei der Kinder unseres Korrespondenten haben die betroffene Grundschule besucht und gehen jetzt auf das angrenzende Gymnasium.

Änderungshinweis: In einer früheren Version des Artikels stand, der Täter sei 14 Jahre alt. Das trifft nicht zu, er ist 13 Jahre alt. Wir haben das entsprechend korrigiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • In den meisten Ländern ruht bei Staatstrauer das öffentliche Leben größtenteils. Das ist volkswirtschaftlich deutlich sinnvoller über ein Wochenende als unter der Woche da dadurch immense Kosten entstehen.