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Amnesty über irisches AbtreibungsgesetzTortur statt Hilfe

Die Gleichstellung von Homo-Paaren macht Irland zum Liebling. Amnesty International zeigt jedoch die Grausamkeit der Abtreibungspolitik auf.

Lupe* musste ihr totes Kind wochenlang im Mutterleib tragen. Der irische Staat verbot ihr die Abtreibung Foto: Amnesty International/Eugene Langan

Berlin taz | 14 Jahre Gefängnis, das entspricht in Deutschland fast einer lebenslangen Haftstrafe. In Irland kann das jedem drohen, der sich aktiv an einer Abtreibung beteiligt. Amnesty International wertet im neuen Bericht „She is not a criminal: The impact of Ireland‘s abortion law“ die Konsequenzen aus, die das aktuelle irische Abtreibungsgesetz auf das Leben und die Gesundheit von Frauen und Mädchen hat. Die Menschenrechtsorganisation kommt zu dem Schluss, dass es gegen Menschenrechte verstößt.

Der 2014 in Kraft getretene „Protection of Life during Pregnancy Act 2013“ erlaubt Schwangerschaftsabbrüche – allerdings nur, wenn das Leben der Mutter akut in der Schwangerschaft gefährdet ist, nämlich bei Krankheit oder weil ein Suizid droht. Andere Gründe für die Genehmigung einer Abtreibung, etwa nach einer Vergewaltigung oder weil eine Frau sich aus anderen Gründen gegen die Geburt des Kindes entscheidet, sieht das Gesetz nicht vor.

Der in Irland lebenden Spanierin Lupe* wurde der Schwangerschaftsabbruch verweigert, obwohl ihr Kind bereits Wochen zuvor verstorben war. Trotz des Risikos für ihre Gesundheit musste sie nach Spanien reisen, um die Schwangerschaft zu beenden. „Bereits die Tatsache, dass man Frauen und Mädchen in kritischem Gesundheitszustand keine andere Wahl lässt, als das Land zu verlassen, um einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen, ist nicht nur diskriminierend, sondern unverantwortlich und in einzelnen Fällen mit Folter gleichzusetzen“, so Sara Fremberg, Sprecherin von Amnesty International Deutschland. „Ein sterbendes Kind länger als nötig in sich zu tragen, ist eine Tortur für die Frauen.“

Selbst wenn eine Abtreibung legal ist, wird sie oft verweigert. Zu ungenau sind die Vorgaben des Gesetzes, zu groß ist die Angst der Ärzte vor einer Bestrafung. Genaue Handlungsrichtlinien gibt es nicht. Ein Leitfaden zur Umsetzung des Gesetzes schränkt nach Aussagen von Medizinern die Rechte der Frau noch weiter ein: Die Empfehlungen lassen die Situation und das Leiden der Mutter durchgehend unberücksichtigt. Die Prozedur der Untersuchung von bis zu fünf verschiedenen Ärzten ist nicht nur langwierig. Sie ist auch erniedrigend.

Zwangsernährung als Option

Dass selbst dann, wenn die Gesetzeslage eindeutig für eine Abtreibung spricht, Frauen nicht zu ihrem Recht kommen, belegt ein Fall aus dem vergangenen Jahr. Eine junge Asylsuchende wurde nach einer Vergewaltigung in ihrem Heimatland schwanger, das Kind auszutragen war für sie unmöglich. Auch als sie mit Selbstmord und Hungerstreik drohte, wurde die Abtreibung nicht gewährt.

Stattdessen zwang man sie, das Kind am Leben zu erhalten, dafür zog man zeitweise sogar eine Zwangsernährung in Betracht. Die Frau fügte sich schließlich den Behörden, als man ihr versprach, die Abtreibung durchzuführen. Laut Amnesty war das jedoch nie vorgesehen. Der Fall endete mit einer erzwungenen Geburt des Kindes per Kaiserschnitt.

Auch Ärzte wie Dr. Peter Boylan, ehemaliger Leiter des National Maternity Hospital in Dublin, kritisieren das Vorgehen: „Wir müssen warten, bis Frauen krank genug sind, damit wir eingreifen können. Wie nahe muss man dem Tod kommen?“ Allein die Lebensgefahr entscheidet über die Legalität der Abtreibung. Diese Gesetzeslage bringt Frauen und Mädchen akut in Gefahr, schreibt Amnesty International. Denn wo ein legaler Weg nicht möglich ist, wird ein illegaler gefunden.

Täglich reisen mehr als zehn Frauen aus Irland in andere Länder, vor allem nach England, um dort die Behandlung vornehmen zu lassen. Wer jedoch nicht das nötige Geld hat, greift auf gefährlichere Methoden zurück: Aus Verzweiflung fügen Frauen sich physische Gewalt zu oder vergiften sich mit Medikamenten und Alkohol. Andere treibt die Schwangerschaft sogar in den Freitod.

Entkriminalisierung als einzige Lösung

„Irland muss endlich seinen internationalen Menschenrechtsverpflichtungen nachkommen und eine Gesetzgebung schaffen, die es Frauen ermöglicht, legal eine Schwangerschaft abbrechen zu lassen, insbesondere wenn sie eine Gefahr für ihre Gesundheit darstellt oder die Folge einer Vergewaltigung ist“, fordert Fremberg. „Die aktuelle Gesetzgebung gibt Kirchenvertretern und Abtreibungsgegnern Rückenwind, sowohl gegen Betroffene als auch gegen alle anderen zu hetzten, die ihnen helfen wollen. Es herrscht ein Klima der Einschüchterung.“

Denn nicht nur die Abtreibung, bereits die Aufklärung Schwangerer über diese Option ist strafbar. Es besteht hingegen die Pflicht, Frauen auf andere Möglichkeiten wie eine Adoption hinzuweisen. „Frauen werden immer Abtreibungen benötigen, auch in Irland“, so Niall Behan, Geschäftsführer der gesundheitlichen Beratungsstelle Irish Family Planning Association.

Er fordert den Staat darum zum Handeln auf. „Entkriminalisierung ist der einzige Weg zu einer Lösung. Dies kann nur durch eine Reform der Verfassung erreicht werden.“ Auch wenn er die Entwicklungen in der Bevölkerung grundsätzlich positiv sieht, zweifelt er an einer schnellen Verbesserung der rechtlichen Situationen der Schwangeren: „Seit etwa zehn Jahren hat sich die Einstellung der irischen Öffentlichkeit gegenüber Abtreibungen bedeutend verändert. Leider ist diese Entwicklung in den Gesetzen und bei jenen, die sie machen, noch nicht angekommen.“

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