Amnesty International über Tigray: Wo Vergewaltigung Kriegswaffe ist
Äthiopische und eritreische Kämpfer sollen Hunderte Frauen und Mädchen „entmenschlicht“ haben, heißt es in einem Bericht. Das Ausmaß sei schockierend.
![Rückenansicht einer Frau mit Schleier, die auf einem Hocker sitzt Rückenansicht einer Frau mit Schleier, die auf einem Hocker sitzt](https://taz.de/picture/5030495/14/28193702-1.jpeg)
„Es ist klar, dass Vergewaltigung und sexuelle Gewalt als Kriegswaffe eingesetzt wurden, um Frauen und Mädchen in Tigray dauerhaften physischen und psychischen Schaden zuzufügen“, sagte Callamard weiter. Die Opfer seien „erniedrigt“ und „entmenschlicht“ worden.
Der Bericht stützt sich auf Interviews mit 63 Überlebenden. Einige berichteten davon, wie sie wochenlang gefangen gehalten und von mehreren Männern gleichzeitig vergewaltigt wurden. Andere erzählten, dass sie vor den Augen von Familienangehörigen vergewaltigt wurden. Manche berichteten, dass ihnen Gegenstände wie Nägel und Kies in die Vagina eingeführt wurden, was laut Amnesty „dauerhafte und möglicherweise irreparable Schäden verursachte“.
„Sie vergewaltigten uns und ließen uns hungern“, berichtete eine 21-jährige Überlebende, die laut eigenen Angaben 40 Tage lang festgehalten wurde. Es seien viele Männer gewesen, die sich bei den Vergewaltigungen gegenseitig abgewechselt hätten. Insgesamt seien mit ihr etwa 30 Frauen entführt worden, die alle vergewaltigt wurden.
Hohe Dunkelziffer
Zu den mutmaßlichen Vergewaltigern gehören laut Amnesty äthiopische Regierungssoldaten, Truppen aus dem benachbarten Eritrea sowie Sicherheitskräfte und Milizionäre aus der äthiopischen Region Amhara. Mehr als zwei Dutzend Überlebende berichteten Amnesty, sie seien nur von Eritreern vergewaltigt worden, während andere sagten, Eritreer und Äthiopier hätten zusammengearbeitet.
Amnesty erklärte, dass medizinische Einrichtungen in Tigray von Februar bis April 1.288 Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt registriert hätten. Ärzte nehmen allerdings an, dass viele Überlebende sich nicht melden.
Im Norden Äthiopiens tobt seit November ein Konflikt zwischen Regierungstruppen und der in Tigray regierenden Gruppe TPLF. Nachdem die Regierung die Region mit Unterstützung aus dem ehemals verfeindeten Nachbarland Eritrea zunächst einnehmen konnte, eroberten mit der TPLF verbündete Kämpfer die Regionalhauptstadt Mekele im Juni zurück. Ministerpräsident Abiy Ahmed rief daraufhin einen einseitigen Waffenstillstand aus.
Am Dienstag rief er die Bevölkerung jedoch zur Generalmobilmachung auf. Alle „fähigen und erwachsenen Äthiopier“ sollten sich den „Streitkräften, Spezialeinheiten und Milizen anzuschließen und ihren Patriotismus“ zeigen, sagte der Friedensnobelpreisträger von 2019.
Die Vereinten Nationen stufen die Lage der Zivilisten in Tigray und den angrenzenden Regionen als verheerend ein. 400.000 Menschen droht demnach Hunger.
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