piwik no script img

American PieDas Spiel gegen den Diktator

Zuweilen auch defensivstark: Enes Kanter (l.) Foto: ap

BasketballMit den Oklahoma City Thunder ist der türkische Center Enes Kanter derzeit sehr erfolgreich. In seiner Heimat nimmt man ihm seine Abneigung gegen Präsident Erdoğan übel

Auch sein Glücksbringer, das Beşiktaş-Trikot, hat Enes Kanter in Oakland am Mittwochabend nicht geholfen. 91:118 hieß es am Ende aus Sicht seiner gastierenden Oklahoma City Thunder bei den Golden State Warriors im zweiten Spiel der Conference Finals – dem Halbfinale – im Westen der NBA. Der Titelverteidiger konnte in der Play-off-Serie damit ausgleichen.

Für den türkischen Center der Thunder, der oft auch als Power Forward neben Teamkollege Steven Adams aufläuft, als auch für das ganze Team von „OKC“ um die genialen Korbjäger Russell Westbrook und Kevin Durant war es ein Abend zum Vergessen. „Die Warriors waren für uns heute zu lebhaft“, sagte Thunder-Coach Billy Donovan. Kanter – wichtigster Ersatzspieler der Thunder – beendete die Partie mit sechs Punkten und zwei Rebounds. Anders als in den vorangegangenen Play-off-Serien gegen die Dallas Mavericks um Dirk Nowitzki, dann gegen die San Antonio Spurs blieb der 23-Jährige ohne Effekt. Das Beşiktaş-Trikot mit den Unterschriften aller Spieler des frisch gekürten türkischen Fußballmeisters, das Kanter wenige Tage zuvor als Glücksbringer vom Verein geschickt bekam, verfehlte seine Wirkung. Kanter scheint zumindest auch einige Unterstützer in der Türkei zu haben, wo ihm allzu oft heftiger Gegenwind begegnet.

„Es ist traurig und gleichzeitig zum Lachen, dass meine Erfolge in Oklahoma wegen der Paranoia eines Diktators kaum zur Kenntnis genommen werden. Schämt euch, TV-Sender, Basketball-Experten und Zeitungen“, schrieb Kanter kürzlich auf Twitter. Der 2,11-Meter-Mann ist in der Heimat in mächtigen Kreisen schlecht gelitten. Denn Kanter steht offen zu seiner Unterstützung für Fethullah Gülen, den im US-Amerikanischen Exil lebenden politischen Erzfeind des türkischen Präsidenten Erdoğan. Ob ein Morgengruß mit Gülen-Bild an die Twitter-Follower oder Kommentare – immer wieder schreibt der Korbjäger über den 75-Jährigen, dem aus Regierungskreisen vorgeworfen wird, den Sturz Er­do­ğans bewirken zu wollen.

Die offene Parteinahme kostete Kanter bereits die Nominierung für die Europameisterschaft 2015. Offiziell schoben Basketballverband und Nationaltrainer Ergin Ataman sportliche Gründe vor. Flügelspieler Ersan İlyasova – neben Kanter der einzige weitere türkische NBA-Spieler – wurde jedoch berufen, trotz deutlich schlechterer Statistiken. Zuletzt schlugen beide Seiten schärfere Töne an. „Enes politische Tweets gefallen mir nicht wirklich“, erklärte Ataman in einem Interview. „Wenn er zurück in den Kreis der Nationalmannschaft will, dann ist das ein Problem.“ Kanters Replik ließ nicht lange auf sich warten. „Wenn du ein echter Mann wärst, würdest du einfach zugeben, dass du Angst vor unserem Diktator hast und mich deswegen nicht nominierst.“

Sportlich ist Kanter indes wenig vorzuwerfen. Die Stärken des seit längerer Zeit mit markantem Schnauzer spielenden „Big Man“ liegen klar in der Offensive, er trifft sicher auch aus größerer Entfernung und hat in Korbnähe das nötige Durchsetzungsvermögen. Vorgehalten werden ihm zuweilen nur Nachlässigkeiten in der Verteidigung. „Stimmt das wirklich? Das kann doch nicht sein“, staunte Adams, als Kanter gerade in einem Spiel gegen San Antonio drei Würfe blocken konnte. „Die kleinen Dinge, die er auf dem Parkett tut, um uns zu helfen, sind phänomenal“, lobt sein Mitspieler Westbrook.

„Du bist ein guter Basketballer geworden, aber kein guter Sportsmann und Mensch“, twitterte Ataman kürzlich wieder, „und solche Spieler werden das Trikot der Nationalmannschaft nicht tragen.“ Dafür hat Kanter ja aber immerhin das Beşiktaş-Trikot. Im nächsten Spiel gegen Golden State in der Nacht zum Montag soll es wieder Glück bringen. DAVID DIGILI

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen