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American PieMaulheld Ozzie gelobt Besserung

Kolumne
von Thomas Winkler

Nach einer Sperre darf der Trainer des US-Baseballklubs Miami Marlins, Ozzie Guillen, wieder coachen. Sein Vergehen: Sympathie für Fidel Castro.

Ozzie Guillen bereut den größten Fehler seines Lebens: Sympathie für Fidel Castro. Bild: dapd

M indestens 162 Spiele werden die Miami Marlins in dieser Saison bestreiten. Aber schon der Sieg in Spiel Nummer 11 wurde gefeiert wie ein Titelgewinn. Nach dem 5:2 gegen die Chicago Cubs lag sich die Mannschaft in den Armen, während das sonst so entspannte Baseballpublikum ganz aus dem Häuschen geriet. Nur einer wollte sich nicht mitreißen lassen von der prima Stimmung: „Gott sei Dank ist dieser Tag endlich vorbei“, stöhnte Ozzie Guillen.

Schon seltsam: Schließlich hatte der Trainer der Marlins seine Mannschaft während der vergangenen fünf Partien nicht betreuen dürfen. Seine Rückkehr war aber trotz des Sieges weniger Triumph als Erleichterung. Denn entgegen allen Erwartungen hatte das Publikum in Miami den eigenen Manager, so die offizielle Berufsbezeichnung des Chefcoachs im Baseball, nicht mit Buhrufen, Pfiffen und Protesten empfangen; nur ein einziger Fan belegte Ozzie Guillen mit Schimpfworten.

Der Grund für die befürchtete Aufregung war Guillens Satz: „Ich liebe Fidel Castro, ich respektiere Fidel Castro“, hatte der schon seit Jahren als Dampfplauderer berüchtigte Guillen dem Magazin Time erzählt, „seit sechzig Jahren haben viele versucht, ihn umzubringen, aber der Motherfucker ist immer noch da“.

Bild: privat
Thomas Winkler

ist Autor der taz.

Keine Verbindung zwischen Gehirn und Mund

Das Loblied auf den Máximo Líder kam in der kubanischen Exilgemeinde von Florida gar nicht gut an. Hunderte demonstrierten vor dem Stadion und forderten zu einem Boykott der Marlins auf. Das Cuban Liberty Council diagnostizierte, dass bei Guillen „keine Verbindung zwischen Gehirn und Mund“ vorhanden sei.

Guillen, erst seit dieser Saison Manager in Miami, entschuldigte sich zwar und ließ wissen, er habe ausschließlich die Langlebigkeit des kubanischen Diktators loben wollen. Aber um die aufgebrachten Kubaner zu beruhigen, suspendierten die Marlins ihren Trainer. Auch die Liga MLB fühlte sich genötigt, in einem offiziellen Statement zu versichern, dass „solche Äußerungen keinen Platz im Baseball haben dürfen“.

Die zwischenzeitliche Aussetzung der Meinungsfreiheit hat vor allem finanzielle Gründe: Die Marlins versuchen sich an einem Neustart. Dazu gehört nicht nur ein neuer Trainer, sondern auch ein neues Stadion, ein neues Logo und ein neuer Name: Die ehemaligen Florida Marlins spielen nun im „Marlins Park“. Der hat 515 Millionen Dollar gekostet und bietet über 37.000 Zuschauern Platz, die nicht nur eine runderneuerte Mannschaft, sondern ein Aquarium, einen Swimmingpool und viel Kunst am Bau bestaunen können.

Das Prunkstück ist ein Dach, das sich innerhalb von 13 Minuten verschließen lässt. Das ist ein unschlagbares Marketinginstrument in einem Bundesstaat, der vornehmlich von Rentnern bewohnt wird und während der Baseballsaison im Sommer entweder unter drückender Hitze oder heftigem Sturmregen leidet.

Retortenklub ohne Tradition

Am mangelnden Komfort allein dürfte es allerdings kaum gelegen haben, dass die Marlins in den vergangenen sechs Jahren den miesesten Zuschauerschnitt aller MLB-Teams aufzuweisen hatten. Tatsächlich wurde die erst 1993 gegründete Franchise nie akzeptiert im Süden von Florida, obwohl es durchaus Erfolge gab.

Bereits zweimal haben die Marlins die World Series gewonnen, während ein Traditionsklub wie die Chicago Cubs seit sage und schreibe 104 Jahren vergeblich vom Titel träumt. Aber in Chicago haben sie das Image vom liebenswerten Verlierer so geschickt kultiviert, dass das Stadion immer ausverkauft ist, in Miami blieben selbst beim letzten World-Series-Gewinn 2003 viele Plätze leer. Vor allem die Einwanderer aus Mittel- und Südamerika mochten sich nie so recht mit dem Retortenklub anfreunden, obwohl sie oft aus baseballbegeisterten Ländern stammen.

Nun aber soll alles anders werden: Der Stadionneubau steht mitten im Little Havanna genannten Stadtteil von Miami, und das Geld, das es in die Kassen spülen wird, wurde bereits in eine attraktive Mannschaft investiert. Verträge über einen Gesamtwert von 194 Millionen, mehr als das Zehnfache des Branchenkrösus New York Yankees, schlossen die Marlins ab, um Spitzenprofis wie Pitcher Mark Buehrle oder Shortstop Jose Reyes zu verpflichten.

Das größtmögliche Fettnäpfchen

Die entscheidende Rolle bei der Neuorientierung aber kam dem Trainer zu. Der in Venezuela aufgewachsene und wegen seines losen Mundwerks zwar umstrittene, aber eben auch sehr beliebte Guillen sollte endlich die lateinamerikanische Community in Südflorida für die Marlins begeistern. Stattdessen ist er mit seiner Castro-Bemerkung prompt in das größte Fettnäpfchen getreten, das im von Exilkubanern geprägten Miami bereitsteht.

Andererseits: Die Marlins wussten, auf was sie sich einließen. Fachlich ist Guillen nicht unumstritten, sein Unterhaltungswert aber konkurrenzlos. Verbale Ausfälle pflastern die Karriere des 48-Jährigen: Einen Journalisten nannte er eine „Schwuchtel“, einen seiner Spieler „ein Stück Scheiße“, und nach dem World-Series-Gewinn der von ihm trainierten Chicago White Sox 2005 verweigerte Guillen den üblichen Besuch im Weißen Haus.

Auch zu politischen Themen äußert sich niemand im Baseball so dezidiert: Vor allem gegen den seiner Meinung nach immer noch vorhandenen Rassismus in dem Sport, in erster Linie gegen Latinos, wettert er. Nun hat Guillen versprochen, „sich nicht mehr zu Dingen äußern zu wollen, die mich nichts angehen“. Die Castro-Bemerkung hat er als „größten Fehler meines Lebens“ bezeichnet. Ob er die Neuerfindung der Marlins damit entscheidend torpediert oder vielleicht sogar befördert hat, wird sich erst noch zeigen müssen in den kommenden 151 Spielen.

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