Amazonas-Indianer bereit zum Kampf: Die Kriegserklärung der Kayapó

Die Regierung hält daran fest, den Riesenstaudamm Belo Monte zu bauen. Die Amazonas-Indianer wehren sich gegen die drohende Lebensraumzerstörung.

Der Ingenieur Rezende wurde nach seiner Rede von Indianern mit einer Machete verletzt. Bild: ap

ALTAMIRA taz Die Luft in der Sporthalle des Amazonasstädtchens Altamira ist zum Schneiden. Auf den Rängen sitzen Kleinbauern, Flussanwohner und Schüler, zu beiden Seiten der Piste hunderte IndianerInnen mit üppigem Federschmuck und schwarz-roter Körperbemalung. Paulo Fernando Rezende, Ingenieur des staatlichen Stromkonzerns Eletrobras, hält eine ausufernde Rede über die Vorzüge des Großstaudamms Belo Monte. Nach dem Willen der brasilianischen Regierung soll der Bau in der Urwaldgemeinde Ende 2009 beginnen.

Die Details von Rezendes Powerpointpräsentation kommen bei den wenigsten Zuhörern an - sehr wohl jedoch sein siegesbewusster, herablassender Tonfall. Einmal wird er von einem bedrohlichen Tanz der Indígenas unterbrochen, mehrmals von Buhrufen und Sprechchören. Der Amazonas-Nebenfluss Xingu werde keinesfalls beeinträchtigt, verspricht der Ingenieur, ebenso wenig die Indianergebiete. "Brasilien braucht den billigen Wasserstrom, um weiter wachsen zu können", sagt er.

Sein Nachredner, Roquivam Alves da Silva von der Bewegung der Staudammopfer, sagt nur einen Satz: "Wenn es nötig ist, werden wir in den Krieg ziehen, um den Xingu zu verteidigen." Daraufhin erheben sich Dutzende Kayapó unter Kampfgeschrei, stürzen sich auf Rezende, werfen ihn zu Boden und reißen ihm das Hemd vom Leib. Eine Machete fährt in seinen rechten Oberarm, Minuten später wird er mit blutverschmiertem Oberkörper aus der Halle geführt. Ein Triumphtanz folgt. Frauen zerschneiden das Hemd und zünden es an. "Die Attacke war eine Warnung an die Regierung", sagt Kazike Siranha von den Kayabi, "unsere Fischbestände sind in Gefahr."

Der Ingenieur hätte sich nach den ersten Buhrufen zurückziehen sollen, meint Bischof Erwin Kräutler, der Gastgeber des viertägigen Treffens: "Mit den Kayapó ist nicht zu spaßen." Der Zorn der Indígenas, von denen gut 600 aus 35 Gemeinschaften nach Altamira gekommen sind, ist berühmt. Vor 19 Jahren hatte eine der macheteschwingenden Frauen Geschichte geschrieben: Auf einem ähnlichen Großtreffen gegen das Vorgängerprojekt fuhr Tuíra Kayapó mit der Klinge ihrer Waffe über die Wange eines anderen Stromfunktionärs. Das Bild ging um die Welt, Rockstar Sting gab vor Ort Rückendeckung. Die Weltbank musste einen Großkredit zurückziehen, das Projekt wurde abgeblasen.

Doch die Strom- und Baulobby ließ nicht locker: Das Wasserkraftwerk spukt weiterhin durch die Regierungspläne, seit dem Amtsantritt Lula da Silvas 2003 mit neuer Verve. Ein echter Dialog mit den Betroffenen fand auch unter dem Exgewerkschafter nicht statt. Erst am Montag bezeichnete Energieminister Edison Lobão das Projekt als "unumkehrbar". "Auch wenn die Regierung jetzt nicht mehr auf Auslandskredite angewiesen ist, kann der internationale Druck dazu beitragen, dass sie doch noch umdisponiert", hofft hingegen Staatsanwalt Felício Pontes.

Nach den jetzigen Planungen wäre Belo Monte mit einer Spitzenkapazität von 11.200 Megawatt der drittgrößte Staudamm der Welt, obwohl nun nicht mehr 1.250 Quadratkilometer Regenwald geflutet würden, sondern "nur" noch 400. Nach Regierungsangaben soll der Damm umgerechnet 4,3 Milliarden Euro kosten. Doch wegen der saisonal stark schwankenden Wasserzufuhr würde er sich erst nach dem Bau weiterer Staustufen rechnen, warnen Kritiker. "Wenn Belo Monte durchgeht, gibt es in Amazonien kein Halten mehr", meint Umweltaktivist Glenn Switkes - mit fatalen Folgen für Zehntausende am Xingu und das gesamte artenreiche Regenwaldgebiet.

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