Amazon und die Briefkastenfirmen: Innovativ bei der Steuervermeidung
Mit trickreicher Verschiebung der Gewinne drückt Amazon seine Steuern. Helfen würde eine „Gesamtkonzernsteuer“.
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Laut der Studie, die von der IG-Metall-nahen Otto-Brenner-Stiftung herausgegeben wurde, nutzt Amazon dabei ähnliche Methoden wie andere internationale Großkonzerne, um seine Steuern zu minimieren. So fließt ein Großteil der Gewinne der europäischen Tochtergesellschaften von Amazon in Form von überhöhten Verrechnungspreisen für die Nutzung von Software, Markennamen und Kundendaten an eine Gesellschaft in Luxemburg.
Bis 2016 war das eine Briefkastenfirma, die praktisch gar nicht besteuert wurde, berichtete Trauvetter. Seit die EU diese Konstruktion für unzulässig erklärt hat, fließen die Gewinne an eine operative Gesellschaft in Luxemburg. Diese wies laut Studie für 2016 eine Steuerquote von 9 Prozent aus. Das Unternehmen selbst hat in der Vergangenheit erklärt, man halte sich an die bestehenden Gesetze.
Dennoch entgeht dem deutschen Staat durch die Steuergestaltung von Amazon viel Geld. Wie viel genau, lässt sich nur schätzen, weil viele dafür erforderlichen Daten – etwa der Gewinn, den Amazon mit deutschen Kunden erzielt – nicht bekannt sind. Öffentlich ist lediglich der Umsatz in Deutschland, der mit 14 Milliarden Euro etwa 10 Prozent vom Gesamtumsatz ausmacht. Wenn entsprechend auch 10 Prozent des Gewinns in Deutschland anfallen und hier versteuert würden, müsste Amazon etwa 200 Millionen Euro zahlen, sagte Trauvetter – und nicht die maximal 50 Millionen Euro, die tatsächlich nach Deutschland fließen.
Karl-Martin Hentschel, Attac
Um das zu erreichen, müsse das internationale Steuerrecht grundlegend geändert werden, forderte Attac-Steuerexperte Karl-Martin Hentschel am Dienstag. „Statt die diversen Betriebsteile getrennt zu betrachten, brauchen wir eine Gesamtkonzernsteuer“, sagte er. Dabei würden die weltweit anfallenden Gewinne anhand von Umsätzen, Investitionen und Beschäftigtenzahl auf die Länder verteilt, in denen ein Unternehmen aktiv ist.
Nach 16 Jahren Diskussion in der EU sei es Zeit, die Blockade bei diesem Thema endlich zu beenden“, sagte Hentschel. „Umsätze und Gewinne von Handelsfirmen müssen am Standort des Kunden versteuert werden – und nicht am Standort einer Briefkastenfirma oder des Servers.“ Das trage auch dazu bei, die Besserstellung von internationalen Konzernen wie Amazon im Vergleich zu örtlichen Händlern abzubauen. Daneben fordert Attac EU-weite Mindestsätze für Unternehmenssteuern.
Die Autoren der Studie der Otto-Brenner-Stiftung schlagen zudem die Einführung eines „Steuer-Siegels“ vor, das das strukturelle Steuervermeidugnsrisiko einzelner Unternehmen bewertet. Dadurch würden der kritischen Öffentlichkeit Instrumente an die Hand gegeben, um die Steuerpraxis von Unternehmen zu analysieren und gegebenenfalls Druck innerhalb der Zivilgesellschaft aufzubauen.
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