Am Samstag Demo zur Kitakrise: Keilen um die Kitaplätze
Beim Streit um Kitaplätze geht es hin und her zwischen der Bildungssenatorin, den Bezirken und den Eltern. Die demonstrieren am Samstag.
Die Kitaplatzsuche in Berlin ist eine zähe Sache: Die meisten Eltern stehen bereits Monate vor Ende der Elternzeit auf zig Wartelisten. Das frustriert, deshalb gehen sie jetzt auf die Straße: Für Samstag trommelt eine Elterninitiative gemeinsam mit der ErzieherInnengewerkschaft GEW zu einer „Kitakrise“-Demo vor das Brandenburger Tor. Das Hauptinteresse der Elten: mehr Kitaplätze. Die Hauptforderung der GEW: eine bessere Bezahlung der ErzieherInnen, damit der Job attraktiver wird. Denn der Fachkräftemangel, ein hauptsächlicher Grund, warum es an Kitaplätzen fehlt, ist groß.
Im Februar rechnete Friedrichshain-Kreuzbergs Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) vor, dass allein in ihrem Bezirk rund 400 Plätze vor allem wegen des ErzieherInnenmangels nicht angeboten werden könnten; das seien rund zehn große Kitas.
Eine „Krise mit Ansage“ sei das, sagte Herrmann. Seit Jahren weise sie die Landesebene auf die steigende Zahl von Kindern hin, doch bewegt habe sich leider „viel zu wenig“.
Hickhack der Hetzjagd
Nun sind Senatsverwaltung und Bezirke allerdings auch sehr gut darin, sich gegenseitig die Schuld an der leidigen Hetzjagd der Eltern auf einen Kitaplatz in die Schuhe zu schieben. Die Leidtragenden neben den Eltern sind dadurch nicht zuletzt auch die Kitas beziehungsweise die Menschen, die dort arbeiten: Diese operieren mit zu wenigen KollegInnen und voller werdenden Gruppen und kriegen den Frust der Eltern jeden Morgen als Erste ab.
Das Zuständigkeitspingpong war zuletzt sehr schön am Beispiel Friedrichshain-Kreuzberg zu beobachten. Senatorin Scheeres stellte zu Jahresbeginn die Pläne für 16 landeseigene Kita-Schnellbauten vor: 3.000 Plätze, 75 Millionen Euro, die ersten dieser Kitas sollen 2019 fertig sein. Alle Bezirke sollten Flächen melden, wo die Turbogebäude errichtet werden können. Sorry, wir haben keine Flächen mehr, hieß es aber aus Friedrichshain-Kreuzberg.
Die Demo:
Demonstriert wird am Samstag für mehr Kitaplätze, eine bessere Bezahlung der ErzieherInnen und bessere Arbeitsbedingungen in den Kitas. Start ist um 10 Uhr am S-Bahnhof Friedrichstraße. Um 11 Uhr gibt es eine Kundgebung vor dem Brandenburger Tor.
Die Verschiebung:
Zuerst war die Kita-Demo für Sonntag geplant, man musste aber einer an dem Tag stattfindenden Demo der AfD und den Gegendemos dazu weichen, zu denen ein breites Bündnis aufruft. Die Rechtspopulisten wollen am Sonntag ab 11 Uhr vom Hauptbahnhof zum Brandenburger Tor ziehen, die Zahl der Gegenkundgebungen, Aktionen und Proteste ist schier unüberschaubar – sogar auf der Spree wird es eine Wasserdemo geben. Kundgebungsorte sind die Reichstagswiese und der Pariser Platz. Auch das Bündnis Reclaim Club Culture beteiligt sich an den Protesten. Mit bislang 14 angekündigten Wagen will man durch Mitte raven, über die Route wird noch verhandelt.
Zudem kommt der Ausbau bestehender Einrichtungen offenbar immer mehr an seine Grenzen. In einem Bericht der Bildungsverwaltung an das Abgeordnetenhaus heißt es: Die Zahl der beantragten „Starthilfen“ für einfache Umbauten sei 2017 „substanziell zurückgegangen“. Ein „Hinweis darauf, dass eine einfache Erweiterung bestehender Einrichtungen wegen nicht (mehr) vorhandener Ressourcen nicht mehr möglich ist“, heißt es.
Bürgermeisterin Herrmann fordert nun ihrerseits, dass Senatorin Scheeres endlich den Fachkräftemangel in den Griff bekommt und den Bezirken nicht länger unterstellt, dass sie ausbauen könnten, wenn sie nur wollten. „Welches Interesse sollten wir haben, Eltern abzuweisen? Immerhin werden wir als Bezirk verklagt, wenn die Eltern ihren Rechtsanspruch vor Gericht durchsetzen wollen“, sagt die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Jüngst urteilte das Verwaltungsgericht im Fall zweier KlägerInnen, dass der Rechtsanspruch gelte – Fachkräftemangel hin oder her.
Bessere Bezahlung
In Wahrheit ist das aber ein gar nicht so unbequemes Urteil für den Bezirk. Denn „liefern“, damit die Bezirke dem richterlichen Willen auch nachkommen können, muss nun Scheeres. Zum Beispiel durch bessere Bezahlung der ErzieherInnen.
Vereinbart werden könnte die in der nächsten Tarifrunde, die Anfang 2019 beginnt. Oder schon jederzeit vorher: Wenn Scheeres und ihr Kollege, Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD), denn nur wollten, betont GEW-Landeschefin Doreen Siebernik.
Derzeit werden ErzieherInnen nach dem Tarifvertrag der Länder in die Entgeltgruppe E8 eingestuft. Als BerufsanfängerIn verdient man so in der niedrigsten Erfahrungsstufe monatlich 2.500 Euro brutto. Es sei aber rechtlich möglich, unabhängig von neuen Tarifrunden, zwei Erfahrungsstufen „sofort vorweg zu gewähren“, sagt Siebernik – ein Unterschied von 400 Euro. „Das Geld ist da, es fehlt nur noch der politische Wille.“
Möglich, dass eine solche schnelle, unbürokratische Zulagenregelung tatsächlich noch dieses Jahr kommt: Man verhandle gerade mit der Bildungsverwaltung „hinter verschlossenen Türen“, sagt GEW-Landeschefin Siebernik. Auch aus der Bildungsverwaltung heißt es vorerst: Kein Kommentar.
Man hoffe nun, sagt Siebernik, auf eine starke Mobilisierung am Samstag: „Das ist das beste Argument für uns.“
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