piwik no script img

Am Ende gewinnen alle

Benefizturnier Friedlich, familiär und freundschaftlich: So entspannt kickte man am Wochenende bei der zweiten Auflage des „Brot & Spiele Cups“ im Jahnsportpark in Prenzlauer Berg – für Geflüchtete und mit ihnen

Artistische Aufwärmübung beim „Brot & Spiele Cup“, beäugt vom Refugee-Team von „Sepp Maiers 2raumwohnung“ Fotos: Amélie Losier

von René Hamann

Da saßen sie im Schatten, abgeschlagen und kraftlos, die Spieler der Deutschen Autorennationalmannschaft. Spritzig und von einem großen Ehrgeiz getrieben dagegen die zahlreichen Teilnehmer der vielen Refugee-Mannschaften, und das bei mindestens dreißig Grad im Schatten, von dem es am Samstag auf dem Sportfeld im Jahnsportpark in Prenzlauer Berg nicht allzu viel gab. Zwischendrein wuselten die Leute vom Orga-Team, die ein begleitendes Kulturprogramm an den Start gebracht haben, und hier und da ließ sich auch mal eine Spielerin sehen.

Denn eines hat sich in all den Jahren nicht verändert: Fußball ist im Wesentlichen immer noch ein Jungsding – und eine Möglichkeit für die Unteren, nach oben zu kommen oder zumindest für einen Samstagnachmittag oder die Dauer von hier 20 Minuten die Gesetze der Gesellschaft auszugleichen. Insgesamt nahmen nicht weniger als zehn Geflüchteten-Teams an dieser zweiten Auflage des „Brot & Spiele Cups“ teil. Sie spielten also in jedem Fall für sich. Und am Ende gewannen sie auch.

Keine Talentscouts da

Tamaja setzt sich durch beim „Brot & Spiele Cup“

Der „Brot & Spiele Cup“ ist eine Initiative des Berliner Vereins für Sport und Kultur, Brot & Spiele e. V., in Zusammenarbeit mit dem Fanprojekt der Sportjugend Berlin. Unterstützt wurde der „2. Brot & Spiele Cup“ von PFiFF – Pool zur Förderung innovativer Fußball- und Fankultur der Deutschen Fußball Liga (DFL).

Bei dem Benefizturnier gewann „Tamaja“, das Team der Notunterkunft Tempelhof, in der glühenden Hitze des Prenzlauer Bergs mit 2:0 gegen die „Newcomer Winsstraße“. Als Preis wurden den Gewinnern der Wanderpokal, ein vom Berliner Künstler David Lotherington gestaltetes Bild, überreicht. (rh)

Wobei es bei diesem Benefizturnier in der Hauptsache um den Spaß ging, ums Dabeisein, weniger um die Integrationskraft Fußball. Talentscouts waren natürlich keine gekommen, selbst die Schirmherrin ließ sich nur im Stadionheft blicken, schließlich ist ja Wahlkampf irgendwo in einem dieser nördlichen Bundesländer, da musste Claudia Roth von den Grünen natürlich eher hin. Trotzdem war es ihr wichtig, in ihrem Grußwort von „Verantwortungsgefühl, Toleranz und natürlich Respekt“ zu sprechen; ein Fanplakat am Zaun brachte den politischen Hintergrund dieses Turniers etwas prägnanter auf den Punkt: „Linien sind O.K., Grenzen sind für’n Arsch“.

Aber auch Khalid, syrischer Kurde oder kurdischer Syrer, je nach Lage und Situation, sah das ähnlich entspannt. Für ihn ist Fußball ein Mittel, einmal abzuschalten, das mörderische Chaos in seiner Heimat und das logistische Chaos in seinem Flüchtlingsheim einmal die Woche und bei Turnieren noch am Wochenende zu vergessen. Er trat für das Team „Champions ohne Grenzen“ an, das wie viele andere Teams reichlich durchmischt war.

Die Probleme mit der Verständigung waren aber eher banal – verglichen mit der Situation für die Kurden in Syrien, die auch schon vor dem Bürgerkrieg zur verfolgten oder mindestens geschmähten Minderheit zählten. Deutsch als Leitsprache hat sich auf dem Platz indes noch nicht ganz durchgesetzt, aber mit den nichtkurdischen Spielern aus dem Irak, aus Afghanistan etc. ließ sich dann eben auf Arabisch kommunizieren. Und die Kommandos auf dem Feld sind sowieso recht schnell allgemein verständlich.

„Linien sind O.K., Grenzen sindfür’n Arsch“

Plakat beim „Brot & Spiele“-Cup

Khalid ist aus Spandau angereist, wo er mit fünf anderen ein Zimmer, drei Kleiderschränke und einen kleinen Kühlschrank teilen muss. Immerhin hat er es auf das Trainingsgelände von Hertha BSC geschafft, viele andere träumen noch davon, von einem der Berliner Vereine entdeckt und engagiert zu werden. Seine Frau indes weilt noch in Syrien. Er selbst hat einen Aufenthaltsstatus für zwei Jahre, und so lange muss er wahrscheinlich noch warten, bis er seine Frau nachholen kann.

Ganz andere Probleme haben die beiden Spielerinnen von „Das Rote Berlin“. Das Team versteht sich zwar als irgendwie links, ist aber im Wesentlichen ein Fanclub. Und zwar tatsächlich von Hannover 96. Auch sie spielen einmal in der Woche, und auch sie werden gern zu Turnieren eingeladen. „Benefizturniere sind anders“, sagt Marianna, die eine der beiden Spielerinnen, anders als die Turniere, bei denen es irgendwie um irgendetwas geht. Da werden die dann zu übertriebenem Ehrgeiz neigenden männlichen Teilnehmer auch gern mal etwas unflätig. Beim „Brot & Spiele Cup“ hingegen läuft alles friedlich und human, familiär und freundschaftlich. Schade nur, dass Marieke, die andere Spielerin, eher selten zum Einsatz kommt und die Exil-Hannoveraner*innen auch insgesamt nicht die beste Performance abliefern. „Unser Ziel war: ein Tor erzielen und nicht Letzter werden.“ Zumindest das mit dem Tor hat noch vor Redaktionsschluss geklappt.

Mischung aus Sport und Pop

Der Ball läuft hier wirklich mal rund, am Rand des „Brot & Spiele Cups“

Achim Seuberlings Truppe „Sepp Maiers 2raumwohnung“ hingegen schlug sich lange Zeit gar nicht schlecht. Mit ihren babyblauen Trikots und dem lustigen Namen – na gut, bei Freizeitmannschaften ist das Wortspiel nie sehr weit, hier spielte beispielsweise „Baller das da rein“ gegen „Hier so“ – fielen die zusammengetrommelten Refugees von dem Team schon rein optisch auf. Seuberling führt eigentlich eine Ladengalerie in Weißensee – aber der Name ist durchaus Programm: Eine Mischung aus Sport und Popkultur, das ist das, was ihn interessiert. Er stellt auch Kunst von Geflüchteten aus oder lässt „Fe-Male Refugees“ in seinem Laden spielen. Für sein Team, das er aus der Notunterkunft in Weißensee rekrutiert hat, hat er auch schon Sponsoren gefunden – wie auf den Trikots zu sehen.

Überhaupt ist das ganze Turnier erfrischend gut organisiert und mindestens ein Nullsummenspiel. Sponsoren, Partner, Zuträgerorganisationen fanden sich reichlich – bei Jan Welle, einem der Organisationsleiter, fließt alles zusammen. Insgesamt war das eine sehr runde Sache.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen